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YOGYAKARTA - UNTERWEGS IN
INDONESIEN, EINE FELDFORSCHUNG ZWISCHEN PUNK PARTY, TRADITIONEN,
HARDCORE SHOWS & ISLAM
Wie
sich vielleicht auch bis zu meiner geneigten Leserschaft
durchgesprochen haben dürfte bin ich in meinem
bürgerlichen
Leben damit beschäftigt mich um das Studium der
Kunstgeschichte,
Politik und Ethnologie zu bemühen. Dass das ganze
Geblätter
in Büchern aber auch seine positiven Seiten haben kann,
eröffnete sich für mich, als mir im Fach Ethnologie
die
Möglichkeit geboten wurde mich an einer Lehrforschungsreise
ins
ferne Indonesien zu beteiligen. Nach langer Vorbereitungszeit,
Sprachkurs und viel Planung wurde der anfangs nebulös
formulierte
Traum Wirklichkeit und am 27. Juli 2004 konnte ich aufbrechen, um in
Yogyakarta mit einer Studentengruppe von 16 Kommilitonen eine kleine
Feldforschung durchzuführen. Bevor es jedoch losgehen sollte,
verweilte ich für eine Woche auf Bali, um mir die richtige
Sonnenbräune und Entspannung zu besorgen, um mein Thema,
welches
mich die nächsten 6 Wochen beschäftigen sollte
richtig
anzugehen. Da sich jeder Student sein Spezialgebiet, in dessen Rahmen
die Forschung ablaufen sollte, selbst aussuchen durfte, entschied ich
mich für folgendes Thema:
Genderkonstrukte in der global beeinflussten Underground Szene.
Zwischen traditionellem, javanischen Rollenbild, Islam und
emanzipatorischer Bewegung.
Doch keine Bange, auf eine wissenschaftliche Abhandlung über
dieses Thema müsst ihr noch ein wenig warten, denn die
gesammelten
Daten werde ich erste das nächste halbe Jahr über
auswerten.
Vielmehr möchte ich ein wenig über meine Erfahrungen
über die Szene in Yogyakarta, die indonesische Gesellschaft
und
meine Erlebnisse berichten. Natürlich gewürzt mit
Reisetips
und Kontakten zu den Szenechefs, haha.
Mein idealisiertes Bild von Yogya, welches ich diversen
Reiseführern und der blumigen Beschreibung meiner Dozentin
entnommen hatte, wurde schon am Tag meiner Ankunft zerbrochen, denn
irgendwie hatte ich nicht bedacht, dass Yogya die höchste
Dichte
an Motorrollern in ganz Südostasien sein eigen nennt. Ich war
also
erstmal geschockt von Abgas, Lärm und höllischem
Verkehr, der
sich unablässig durch die breiten Strassen, aber auch durch
die
engsten Gässen schiebt. Es geht scheinbar jedem so - aber
zunächst fand ich Yogya nur zum kotzten. Laut, dreckig, heiss
und
hektisch. Bei dem Gedanken 6 Wochen in diesem Hexenkessel zu verbringen
wurde mir alles andere als warm ums Herz. Doch die anfängliche
Abneigung legte sich bald - vielleicht gewöhnte ich mich aber
auch
nur an die Rast- und Ruhelosigkeit, der kulturellen Metropole
Indonesiens.
Yogyakarta (die Schreibweise variert übrigens je nach Lust und
Laune: Djojakarta, Jogyakarta, etc.) liegt im südlichen
Zentraljava, also auf der “Hauptinsel” des
Inselreiches
Indonesien. Touristen ist die Stadt hauptsächlich durch seine
Nähe zum berühmten buddistischen Tempel Borobudur und
durch
seine zahlreichen Batikshops bekannt. Wie schon erwähnt ist
Yogya
jedoch auch kulturelle Zentrale Indonesiens und neben der
berühmtesten Universität Gadja Madah (UGM) gibt es
zahlreiche
weiter Universitäten (staatliche und private) und die in
Indonesien wohl einzigartige Kunstschule ISI. Was die Punk und Hardcore
Szene betrifft hinkt Yogya den zwei bedeutenden Städten
Jakarta
und Bandung zwar deutlich hinterher, dennoch ist die Szene
berühmt
für musikalische Fähigkeit und Einfallsreichtum.
Am einfachsten erreicht man Yogya per Flugzeug (von Denpasar, Bali
zwischen 20 und 35 Euro (je nach Fluggesellschaft; von Jakarta etwa 30
Euro), per Bahn (von Bandung etwa 12 Euro) oder per Bus (von Bali aus
etwa 12 Euro), wobei ich fauler Bonzentourist sagen muss, dass fliegen
wesentlich angenehmer ist. Für meine Busfahrten von Bali aus
musste ich unzählige schlaflose Stunden (persönlicher
Rekord
22 Stunden) in Kauf nehmen, um völlig fertig morgens um 5 in
Yogya
anzukommen. Der preisliche Unterschied zum Flug (1 Stunde) wird da doch
noch etwas relativiert - vor allem aus dem Grund, weil man auf der
Busfahrt nicht wirklich viel von der Landschaft Indonesiens zu sehen
bekommt und sich es allein aus diesem Grunde auch nicht lohnt in die
völlig unterkühlen Busse (Air Condition)
einzusteigen.
In Yogya lebte ich in der Gegend um die Jalan Sosrowijayan, eine
Touristengegend, die direkt neben der Einkaufsmeile Jalan Malioboro
liegt. Dort kann man prima für kleines Geld in Losmen (Zimmer
in
den Häusern von Familien) absteigen, die sich in den
Gängen
zwischen Sosrowijayan und der Strasse entlang des Bahnhofs befinden.
Zwischen 10 Euro und 2 Euro pro Nacht lässt sich dort alles
finden
und da die Gänge nicht mal mit dem Moped befahrbar sind ist es
auch relativ ruhig. Relativ, denn überall sind in Yogya
Moscheen
zu finden die zur höllisch frühen Zeit (meistens
schon 4 Uhr
30) losplärren. Insgesamt kann man nie dankbar genug sein,
wenn
man vor einer Reise an die Mitnahme von Ohrenstöpseln gedacht
hat!
Anfangs ist das Leben in der Sosrowijayan zwar etwas anstrengend, da
einjeder am Touristen verdienen möchte und auch die meisten
Restaurants, Internetcafes und Bars auf die zahlungskräftigen
Touristen eingestellt sind. Nach einer Weile erkannte die Community
allerdings, dass ich mich länger dort aufhalten werde und so
wurden sowohl die Portionen in den Restaurants grösser, als
auch
die Belästigung durch Souvenirverkäufer geringer.
Billigere
Internet-Cafes und Warung sind auch nur wenige Schritte entfernt.
Insgesamt ist es sehr interessant länger in einer
Touristengegend
auszuharren und das tägliche Leben der von den Reisenden
Abhängigen zu beobachten. Oft fühlt man sich geradezu
dazu
hingerissen die Belagerung durch Taxifahrer, Sarong-Verkäufer,
Drogendealer oder sonstwem mit Ungeduld und barschen Worten
abzublocken. Doch nach einiger Zeit fühlte ich ein gewisses
Mitgefühl für diese Menschen, die von den wenigen
Touristen
(remember Bali-Bombing) leben müssen. Das Leben ist
für
Menschen ohne feste Arbeit in Indonesien natürlich besonders
hart
und wenn Traveller immer noch meinen bei jedem Furz handeln zu
müssen wie die blöden, um den Preis der Einheimischen
zu
bekommen, dann muss ich über diesen Zynismus fast kotzen, denn
alleine für ein Flugticket geben wir mehr Geld aus, als ein
Grossteil der Bevölkerung selbst in einem Jahr harter Arbeit
nie
erwirtschaften wird. Ich finde es völlig legitim, dass man als
Tourist ausgenommen wird, schliesslich ist das die einzige
Möglichkeit die Ausbeutung der dritten Welt durch unsere
stolzen
Nationen einmal umzukehren. Und selbst das tut uns nicht weh, denn
obwohl man als Student in Deutschland nicht gerade zur Wohlhabenden
Oberschicht gehört, so haben wir trotzdem so viel Geld zur
Verfügung, dass wir unglaublich reich wirken. Kleines Beispiel
gefällig? Uni-Professoren Gehalt in Indonesien: 250 Euro pro
Monat! Noch Fragen?
Insgesamt muss man sagen, dass Indonesien noch stark unter der
Wirtschaftskrise leidet, die ganz Asien Ende der 90iger Jahre gebeutelt
hat. Die Armut ist in Yogya nicht ganz so offensichtlich wie in Jakarta
oder Ländern in Süd Amerika, aber bedenkt man, dass
40% der
Bevölkerung ohne Arbeit und staatliche Unterstützung
vor sich
hin vegetieren, dann lässt sich erahnen, wie gross das Elend
sein
muss.
Aber kommen wir zurück zu anderen Themen... zum Beispiel
Essen.
Vegetarisches und veganes Essen ist nicht wirklich schwer zu finden,
denn die indonesische Küche ist zwar hauptsächlich
mit Huhn,
Fisch und Rind beschäftigt, aber zum Glück spielen
Milch,
Käse und sonstige tierische Produkte in den Gerichten eher
eine
untergeordnete Rolle. Stattdessen gibt es viel Tofu und Tempe. Tempe
ist der Oberknaller. Eine Art Sojabohnenkuchen, der aus fermentieren
Sojabohnen hergestellt und anschliessend gebraten oder fritiert wird.
Schmeckt grossartig! Insgesamt ist es ratsam Essen zu gehen, denn
Lebensmittel im Supermarkt sind vergleichsweise teuer und für
50
Cent bis 1 Euro wird man an kleinen Strassenständen (Warung)
allemal satt. Wer besonders billig leben möchte, kann sich von
leckere, fritierte Tempestücke, Kartoffelkuchen oder
Mais/Paprika-Taschen ernähren. Pro Stück kosten diese
maximal
3 Cent und nach 5 Portionen schreit man im Regelfall schon nach der
Notschlachtung (Tony von Rambo hat es allerdings geschafft 20 zu
verputzen!).
In Yogya gibt es jedoch auch rein vegetarische Restaurants, von denen
ich zwei besucht habe. MILAS ist ein Projekt, welche von einer
Deutschen betrieben wird. Neben dem vegetarischen Restaurant, welches
lediglich biologisch angebaute Gemüse verwendet, gibt es auch
einen Laden für von Strassenkindern angefertige
Kunstgegenstände. Das Projekt läuft auf
unkommerzieller Basis
und verhilft den Strassenkindern zu einer langfristigen Perspektive.
(Adresse: MILAS, Jl. Mantrijeron MJ III 897 A. (ist in der
Nähe
von der Jalan Parantritis)). Ein von Indonesiern chinesischer
Abstammung betriebenes Restaurant, welches mir eigentlcih besser
gefallen hat als das eher schicke Milas ist das Lusidus. Die Buddisten
dort bieten eine unglaublich Auswahl an billigen vegetarischen oder
veganen Gerichten an! (Adresse: Lusidus, Kompleks Ruko Babarsari No.21)
Was die Getränke betrifft, so gibt es ein reichhaltiges
Angebot an
Säften, Eistee, Ginger-Getränken, etc. Für
den reisenden
Alkoholiker gibt es leider nicht so die pralle Auswahl. Bier ist
ziemlich teuer und nicht gerade die Krönung der Braukunst. Gut
gekühlt lässt sich dennoch das eine oder andere
Bintang Bier
ertragen. Die alkoholische Tradition im grössten muslimischen
Staat der Erde ist wie nicht anders zu erwarten nicht sonderlich
ausgeprägt und so gibt es eine eher spärliche Auswahl
an
‘local drinks’. Besonders beliebt scheint wohl
‘Kalua’ zu sein, ein Kaffeliquör, den man
auch
hierzulande kennt. Zu meinem Entsetzen mischen die Indonesier diese
süss-klebrige Brühe tatsächlich mit Bier!!
Ebenso
verhält es sich mit dem Getränk
‘Lapen’ mit dem
ich jedenfalls ein wenig Spass haben konnte, weil es, obwohl auch
süss-klebrig, ganz gut schmeckte. Ein weiterer Drink, mit dem
ich
mir die Nächte um die Ohren geschlagen habe heisst
‘Orange’ und schmeckt wie Orangenbrause mit Korn.
Last but
not least ein Getränk, welches aus Reis gebraut wird und
ordentlich Umdrehungen hat. Nicht gerade ein Labsal für den
Gaumen, aber immerhin trinkbar: ‘Donalds’, heisst
das Zeug
und wird in Fachkreisen auch gerne ‘Jack Donalds’
genannt.
Die Preise sind im Gegensatz zum Bier wirklich berauschend. Wo man
für eine Pulle 0,6 Bintang Bier 1,50 Euro hinblättern
muss,
bekommt man für 1,80 schon einen Liter
‘Kalua’.
Die ersten paar Tage verbrachte ich damit mich in der Stadt zurecht zu
finden und mich mit meiner Studentengruppe zum ersten Workshop zu
treffen. Das Zurechtfinden ist eigentlich gar nicht so schwer und falls
man sich doch einmal verläuft, dann stehen an jeder Ecke
billig
Becak (Fahrräder mit nettem Sitzkorb) oder Taxi bereit. Die
Indonesier lieben zwar den Fussmarsch nicht sonderlich, aber wenn man
es darauf anlegt, dann kann man Yogya auch wunderbar zu Fuss erkunden.
Beim Workshop an der UGM traf ich auch auf meine indonesische
Tandempartnerin Devi, mit der ich künftig losziehen
würde, um
geeignete Daten für mein Thema zu sammeln. Zum Glück
ergaben
sich mit ihr überhaupt keine Probleme und wir merkten schnell,
dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Wunderbar, denn das war
eine der Grundvoraussetzung, um in der Punkszene zu forschen. Ich
hätte mir beispielsweise nicht vorstellen können
zusammen mit
einer verschleierten Tandempartnerin Punks über Feminismus und
Religion auszufragen. Aber zum Glück ist Devi sehr
‘open
minded’, keineswegs religiös und neugierig etwas
über
die Punkszene zu erfahren.
Und so traten wir gemeinsam ein, in die erste Phase der Feldforschung.
Das heisst, wir machten uns auf die Suche nach geeigneten Informanten,
mit denen wir über das Thema plaudern wollten. Obwohl ich
schon
von Deutschland aus Kontakte geknüpft hatte verlief die erste
Phase dennoch etwas schleppend, denn in Indonesien nimmt man es mit
Verabredungen nicht so ganz genau und Pünktlichkeit ist
sowieso
ein Fremdwort. Wir verbrachten also viel Zeit damit auf unsere
Kontaktpersonen zu warten, ohne dass diese jemals aufgetaucht
wären.
Verlassen konnte man sich allerdings auf xIpheyx, die Sängerin
der
sehr guten Metalcore Band NOTHING. Sie ist zwar eine eher
schüchterne Person, aber mit ihrer Band legt sie sich wirklich
kräftig ins Zeug. Auf der Bühne ist es
wunderbar
anzusehen, wie sie zwischen lieblich gesungenen Parts und
wütenden
Schreikrämpfen pendelt. Die Gruppe besteht meines Wissens seit
2001 und hat bislang ein paar Songs auf Samplern
veröffentlicht.
(Kontakt: xipheyx@yahoo.com, www.nothing444.has it) Iphey spielt
gleichzeitig noch in einer anderen Band namens SUPERNANA. Eine reine
Frauenband, die Poppunk Songs spielen. Von den Fähigkeiten der
Mädels habe ich mich leider nicht überzeugen
können.
(Konakt: www.supernana.rocks.it)
Ipheys Freund Nanu, der in der Metalcore Band REFLEXIDIRI (Kontakt:
www.reflexidiri.cbj.net) spielt, gibt das BETTERDAY ZINE heraus, ein
Fanzine welches sich nicht mit Bands und Musik beschäftigt,
sondern seinen Schwerpunkt auf vegane und vegetarische
Ernährung,
Tierrechte, Animal Liberation, etc. gelegt hat. (Konakt:
xcrueltyfreex@yahoo.com).
Beide sind eng mit Nanda von HALANG RINTANG RECORDS befreundet. Nanda
singt in der Old School Hardcore Band STRENGTH TO STRENGTH und
veröffentlicht auf seinem Label die Bands seiner Freunde, wie
zum
Beispiel THINK AGAIN, SAME DIRECTION, STRONGHOLD, etc. (HALANG RINTANG
REC. c/o Nanda, perum geband permal blok II, No.2. sleman 55584,
yogyakarta, indonesia, halangrintangrecords@yahoo.com).
Ein weiterer Bestandteil der Hardcore Szene ist das Fanzine Inner
Garden, welches von Martin herausgegeben wird. Es gibt aber auch eine
Internetversion (Konatkt: xinnergardenx@hotmail.com,
www.innergarden.tk). Und um den generellen Überblick
über
diesen Teil der Szene zu bekommen empfehle ich folgende Seite:
www.ykhc.cjb.net
Obwohl die Crew um Iphey ein fester Freundeskreis ist und jeder jeden
kennt, wurde ich mit den meisten Jungs nicht so richtig warm, keine
Ahnung woran es lag, aber von einer herzlichen, zwischenmenschlichen
Wärme kann nicht die Rede sein.
Da fühlte ich mich in der Anarchopunk Szene schon gleich viel
aufgehobener. Über einen Technopunk namens Gentur, den ich auf
der
Strasse kennengelernt hatte, wurde ich einigen Personen vorgestellt,
die regelmässig beim HITAM Tattoo und Piercing Studio
(Adresse: Jl
Re Martadinata 114) herumhängen. Dort traf ich zum Beispiel
ein
paar Leute aus dem Umfeld der Anarchopunk Band BLACK BOOTS (Kontakt:
blackboots_antimiliter@hotmail.com) und Shigi von der
aufgelösten
Technopunk Band TECHNOCID. Diese Kerle waren wesentlich offener und
kontaktfreudiger, auch wenn sie auf SMS, E-Mail, etc. nicht unbedingt
reagierten. Daher traf ich die Buben immer nur zufällig oder
auf
Konzerten.
Wen ich und Julia, die mittlerweile in Yogya angekommen war, um mich in
Indonesien zu besuchen, sehr oft trafen war Ojie, seines Zeichen
ehemaliger Gitarrist der AnarchoCrust Band ATRET und
gegenwärtiger
Gitarrist der Fastcore Band MORTAL COMBAT. Ojie, ist wirklich zu einem
super Freund geworden, der sich völlig ungefragt für
mich den
Arsch aufriss und mir jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Wir
testeten nicht nur gemeinsam alle ‘local drinks’
sondern
heizten auch unablässig auf seiner müden Mopette
kreuz und
quer durch Yogya. Auch von seiner Band MORTAL COMBAT bin ich vollkommen
überzeugt, denn der schneller, ruppige Hardcore und die heiser
krächzende Stimme erinnert mich nur zu sehr an meine
All-Time-Götter Los Crudos. (Kontakt: orienatret@hotmail.com)
Zu
extrem guten Freunden haben sich auch Ina und Didit entwickelt. Ina ist
die ehemalige Sängerin von ATRET und hat nun mit ihrem Freund
Didit die 2-köpfige Band OPUSAN BANGSAT gegründet,
die sich
aber mittlerweile in RELIGIOZ umbenannt haben dürfte. Die Band
zeichnet sich vor allem durch ihre guten Texte aus, die in der
indonesischen Szene ziemlich einzigartig sind. Was noch erschwerend
hinzukommt ist der geile Drumcomputer, der hier den Takt angibt.
(Kontakt: melahap_tai@yahoo.com). Mit den zwei hatte ich einige
unvergessliche Stunden, wunderbare Gespräche und vor allem
viel
Spass! Zukünftig wird wohl Denda, der Schlagzeuger der
megapopulären Punkrock Band DOM 65 bei Religioz als Bassist
einsteigen. DOM 65 sind wohl momentan die angesagteste Punkrock Band
Yogyakartas. Sie stammen aus dem Umfeld der sogenannten REALINO
BOOTBOYS, einer Punk/Skinhead Crew, die mir nie so ganz geheuer
erschien und über die ich abstruse Geschichten hören
durfte.
Scheinbar sind die Jungs besonders tolle Wichtigtuer, die sich gerne
als die Elite der Punkszene darstellen, aber intern ständig
mit
Neidereien, Gezänk und Gerüchten zu kämpfen
haben. Naja,
mit Skinheads, Crew und Streetpunk hatte ich ja sowieso schon immer
meine Problemchen. Erschreckend zum Beispiel die Geschichte, dass ein
paar Crew-Members einen Genderbreaker, also eine Person, die sich
bewusst schwul gab, um die Szene in Aufruhr zu versetzen, mit vereinten
Kräften zusammen geschlagen hat. Und als die arme Kreatur
blutend
am Boden lag und die Meute von ihm abgelassen hat, kümmerte
sich
ein Bootboy, unbeobachtet von seinen tollen Kameraden, um den
Verletzten, fuhr ihn nach Hause und pflegte die ganze Nacht
über
seine Wunden. Nur ein Beispiel für die
Doppelbödigkeit und
Verlogenheit von Teilen der Szene. Tja dann... (Kontakt: Realino
Records, Jl. Ireda 100, Yogya, Indonesia, www.dom65.realinorecs.com,
www.realinorecs.com, realinorecs@lycos.com).
Die ersten Konzerte die ich in Indonesien zu sehen bekam, fanden
allesamt um den 17. August herum statt. In den Wochen um den
Nationalfeiertag ist das ganze Land in Aufregung, schmückt
jeden
erdenklichen Strauch in den Nationalfarben Rot und Weiss und
veranstaltet eine Fiesta an der nächsten. Am Nationalfeiertag
selbst merkte ich nicht sonderlich viel von der Feier, aber
dafür
gab es ja davor und dannach einige Konzerte zu besuchen.
Diese
unterscheiden sich fundamental von Gigs in Europa, denn es spielen
meist zwischen 20 und 30 Bands, verschiedener Genre und Musikstile. Es
verwundert also kaum Crustbands neben Reggaegruppen oder traditionellen
Kappellen zu sehen. Und da die Konzerte oft in der unmittelbaren
Umgebung von Wohnhäusern stattfinden, sind selbst für
älteren Menschen die Begriffe Punk oder gar Hardcore keine
Fremdworte. Oft wurde ich wegen meiner Frisur auf der Strasse von alten
Menschen ‘Oh, Punk! Hahaha!’ begrüsst!
Obwohl das mit
der Zeit auch ganz schön anstrengend wurde, fühlte
ich mich
in Indonesien nie bedroht oder belästigt. Höchstens
durch die
tausenden von Fotos, die ich zusammen mit wildfremden Menschen von mir
machen lassen musste. Aber auch das trug ich mit viel Humor und Geduld.
Aber zurück zu den Konzerten, die für mich in dieser
Art sehr
ungewohnt waren und teilweise sogar auf die Nerven gingen. Wenn dann
mal eine coole Band auf der Bühne stand, dann hatte sie ja
maximal
20 Minuten Zeit, um ein paar Songs runter zu reissen. Und im Anschluss
gab’s meist wieder irgendwelche Gedudel, welches mich nicht
interessierte. Die Konzerte fanden fast immer unter freiem Himmel im
Rahmen von Strassenfesten oder Universitätsveranstaltungen
statt.
Ich besuchte lediglich eine einzige Punk/Hardcore only Show. Diese fand
Sontag morgens ab 8 Uhr in einer katholischen Grundschule statt und war
der absolute Hammer. Wir waren natürlich nicht ab 8 Uhr am
Start,
sondern trudelten erst später ein, als schon etwa 200 bis 250
Personen eine kleine Schulaula bevölkerten und die anstehenden
Bands abfeierten, wie eine Horde von tollwütigen Derwischen.
Die
Konzerte, die morgens stattfinden haben den Vorteil, dass auch junge
Kids und Frauen, die ansonsten früh zu Hause sein
müssen (das
ist die krasse Relatität!!), teilhaben können.
Dementsprechend ausgelassen war die Stimmung bei den Kids, die wahrlich
nicht zu viele Konzerte zu sehen bekommen. Ich kann mich kaum noch an
die Bands erinnern, die spielten, aber es war ein einziges Fest. Es
wurde gepogt, gebrüllt und gefeiert, wie man es in Deutschland
auf
Konzerten NIE erlebt! Viele Bands spielten lediglich Coversongs, doch
ausnahmsweise konnte ich auch das gutheissen. Wenn die
europäischen und amerikanischen Bands nicht in Indonesien
spielen,
dann muss man sich etwas einfallen lassen, um trotzdem in den Genuss
der live gespielten Songs zu kommen. Für mich war der
völlige
Überhammer eine Band namens NO FORM (Kontakt: The Alaska
Management, Condong Sari No.36A, Yogyakarta, Indonesia). 4
durchgeknallte Punkmädels in einem für indonesische
Verhältnisse mehr als gewagtem Outfit spielten alte
Punkklassiker
von Partisans, UK Subs und wenn ich mich nich täusche Blitz.
Der
Mob rastete völlig aus und die Mädels genossen es
über
der Horde von Punks zu trohnen und lässig das Mikrofon vor die
aufgerissenen Münder zu halten. Als sie dann auch
‘Broken
Heart’ von Casualties coverten, war es endgültig um
mich
geschehen. Dass ich jemals einen Song diese Deppencombo abfeieren
würde, hätte ich mir auch nicht träumen
lassen, aber NO
FORM negierten all die schlechten Erfahrungen über die
patriachale
Struktur der Punkszene, die ich im Laufe der letzten Wochen gesammelt
hatte. Sie stellten sich einfach selbstbewusst auf die Bühne
und
zeigten den ganzen Jungs mal, wie richtig gerockt wird. Das ist leider
in der indonesischen Szene eine absolute Ausnahme.
Insgesamt musste ich feststellen, dass ein grosser Teil der Szene sich
keineswegs an regen Diskussionen beteiligt, oder tatsächlich
ein
politisches oder zumindest soziales Interesse als Komponente des Punk
begreift. Die non-confrontative Einstellung der Gesellschaft setzt sich
auch in der Punkszene fort und manchmal fragte ich mich allen ernstes,
weshalb sich manche Leute überhaupt einen Iro schneiden, wenn
sie
sich tatsächlich keineswegs von der Gesellschaft unterscheiden
oder unterscheiden wollen! Aber solche Menschen gibt es ja in jeder
Szene und all zu schlecht und vor allem besserwisserisch
möchte
ich nicht wirken. Die Szene Indonesiens ist noch sehr jung und wird
sich wahrscheinlich innerhalb der nächsten Jahre stark
wandeln.
Die Leute, die schon heute die Vorreiter sind haben es
natürlich
dementsprechend schwer, denn sie scheinen ihrer Zeit Jahre voraus. Das
gilt besonders für die Frauen in der Szene, die noch viel
extremer
gesellschaftlichen Zwängen und Vorstellungen unterworfen sind.
Und
dass die Verhaltensregeln (früh nach Hause kommen, nicht
rauchen,
nicht trinken, kein Sex vor der Ehe, etc.) auch tatsächlich
befolgt werden, dafür sorgt nicht nur die Familie, von der
viele
junge Punks finanziell abhängig sind (Studiengebühren
kosten
zum Beispiel phantastische Preise, die sich selbst in Deutschland nicht
jeder leisten könnte), sondern auch das soziale Umfeld - das
heisst die Nachbarschaft. Je nachdem wo man wohnt, kann diese
Nachbarschaft ein wahres Terrorsystem sein. So gibt es zum Beispiel
islamische Bürgerwehren, die ohne legale Grundlage,
Hausdurchsuchungen durchführen, nach Sündern (z.B.
Unverheiratete beim Sex) suchen oder politisch unliebsame Personen
drangsalieren. Vor einigen Jahren mussten auch die Streetpunks immer
damit rechnen von islamischen Gruppen mit Schwerten angegriffen zu
werden. Dieses hat sich wohl etwas gebessert, doch im Fastenmonat
versuchen Bürgerwehren immer noch mit Gewalt
unreligiös
erscheinende Trinker und Herumlungerer zum rechten Glauben zu bekehren.
Im Falle eines Angriffs auf eine marxistisch-leninistische Gruppe
führte das vor einigen Jahren sogar zum Tod eines Kommunisten.
Alleine hier wäre Kritik an den religiösen Instanzen
angebracht, doch diese wird von Punks nur sehr verhalten formuliert. In
einer hauptsächlich muslimischen Gesellschaft scheint eine
Infragestellung Gottes oder des Glaubens immer noch ein unglaubliches
Tabu zu sein. Politisch engagierte Punks, die sich auch mit den
Vorgängen in der globalen Szene auseinander setzten,
kritisieren
die Form der Religion, lösen sich aber dennoch nicht von ihrem
Glauben an Gott. Für mich, der ich einer Szene entspringe, in
der
Glaube und Religion strikt von Punk getrennt wird (oder werden sollte)
wirkt diese Verbindung höchst seltsam. Aber ich denke auch
hier
muss man der indonesischen Szene Zeit geben sich zu entwickeln,
schliesslich gilt dieses Land als eines der weltoffensten und
fortschrittlichen muslimischen Länder. Die Chance, dass eine
kritische Auseinandersetzung mit Religion stattfinden kann, ohne dass
man einen Kopf kürzer gemacht wird, besteht also.
Übrigens
ist nicht nur der muslimische Glaube in extremer Form vorhanden auch
die wenigen Christen überbieten sich in Gottesfurcht und
puritanischen Idealen. Solange wir auf eine Änderung warten
müssen, wundere ich mich noch über Hardcore Bands,
die Verse
aus dem Koran singen oder Metalcore Gruppen in denen verschleierte
Frauen spielen!!!
Einige Leute, die mutig genug sind auch diese Art von Themen
aufzugreifen sind die Jungs von DOMESTIK DOKTRIN, die ja auch in diesem
Heft interviewt werden. Ari, der Bassist besuchte mich in Yogya und so
verbrachten wir gemeinsam ein paar coole Tage, in denen er mir auch
einige interessante Sachen über die Szene in Bandung
erzählen
konnte. Gemeinsam sahen wir auch noch ein paar Konzerte, auf denen zum
Beispiel SOMETHING WRONG spielten. Die hatte ich schon mal gesehen und
auch persönlich kennen gelernt. Sie spielen Hardcore in
Richtung
Agnostic Front und sind in Yogya bekannt und beliebt. (Kontakt:
Brontokusuman MG III/409, Jogjakarta 55153, Indonesia, sw190@yahoo.com,
www.somethingwrong.iskind.com). Eine weitere ganz nette Band, deren
Mitglieder ich bei diversen Anlässen wiedertraff sind NOISE
FOR
VIOLENCE, die ganz feinen Hardcore spielen. Sie haben bereits ein Tape
veröffentlicht. (Kontakt: Lexrost Music Studio, Jl. Balirejo 1
No.11, Yogyakarta 55165, Indonesia, noiseforviolence@yahoo.com). Auch
mit den Jungs der melodic emocore Band X 12, traf ich häufig
und
gerne. Die Bürschen waren zwar teilweise so jung, dass ich
mir,
wie ein Opa vorkam, aber das ist ja wahrlich nicht der Fehler der
Jungs. Sie spielen ganz feine Musik, die für meinen Geschmack
zwar
manchmal ein wenig zu Teenager-lastig klingt... aber alles im
Grünen Bereich. X 12 (Kontakt: gumpsus@yahoo.com) lernte ich
am
TUGU YOGYA kennen, dem Wahrzeichen Yogyakartas, in dessen Nähe
sich Samstag Nachts Punks und Hardcore Kids treffen - genauer gesagt
vor einer Einfahrt in der Jalan Jendral Sudirman. Dort hängt
man
Samstag Abends ab etwa 22 Uhr ab, labert und tauscht Neuigkeiten aus.
Komischerweise wurde dort aber nie getrunken, was mich doch irgendwie
wunderte. Ich lernte dort einen Haufen netter Leute kennen, die ich
auch auf Konzerten immer wieder traf. Zum Beispiel Martinus von
RELAMATI RECORDS kennen. Auf seinem Label veröffentlicht er
die
Aufnahmen befreundeter Bands, wie FOUR SHITS (Kontakt:
www.fourshits.tk) oder SNACK OI!. Auch seine eigene Crustband TO DIE
durfte natürlich ihre sämtlichen Songs als CD-R
veröffentlichen. (Kontakt: relamatirecord@lycos.com,
www.relamatirecords.tk, www.geocities.com/relamtirecs,
to_dieyk@yahoo.com). Martinus ist übrigens auch
kräftig in
der Fanziner Szene unterwegs und hat glaube ich auch einen eigenen
Newsletter. Ach so, apropos Veröffentlichungen. Wie sich der
eine
oder andere schon denken kann - Vinyl ist in Indonesien absolut tot.
Ich habe gerademal zwei Personen getroffen, die noch einen
Plattenspiele besitzten. Durch ein wenig Tausch sind sie auch an einige
Vinylscheiben gekommen, doch letztendlich sind sie vom Vinylmarkt total
abgeschnitten. Deshalb wird in Indonesien von vielen
europäischen
oder amerikanischen Bands eine Tapeveröffentlichung gemacht.
Ich
bezweifle, dass die Bands immer gefragt werden, aber ich denke ein
wenig Bootleg-Popularität hat noch keiner Gruppe geschadet.
Leider
schaden aber einige Gestalten in der Szene ihrem eigenen Ruf. In
Bandung gibt es einen Trottel der vor allem in der Vergangenheit sein
Unwesen trieb und seine zahlreiche Kontakte ins Ausland dafür
nutzte sich CDs und Tapes schicken zu lassen und ohne je Tauschmaterial
zurück zu senden. Er benutzte dafür mehrere Adressen
von
vorher nicht informierten Personen. Der schlechte Ruf, der der
indonesischen Szene noch immer anhaftet ist also nicht auf die
Unverfrorenheit eines Einzelnen zurück zu führen.
Naja,
allerdings wird heutzutage auch mit gefälschten Kreditkarten
im
Ausland bestellt. Das ist auch nicht unbedingt die feine Art - vor
allem, wenn Labels wie Profane Existence oder Havoc davon betroffen
sind.
Aber kommen wir auf die Veröffentlichung in Indonesien zu
sprechen. Die Produktion von Kassetten ist ziemlich billig, weshalb es
wirklich unzählige Punkalben als professionelle
Kassettenveröffentlichungen gibt. Die Preise liegen pro Tape
zwischen einem Euro und zwei Euro im Endverkauf. CDs sind
ähnlich
billig, auch wenn die meisten Veröffentlichung CD-Rs
sind.
All zu einfach ist es jedoch nicht an Tapes heran zu kommen, denn auf
Konzerten bieten oft nicht einmal die Bands, die aufspielen ihre
Veröffentlichungen an. In Yogyakarta gibt es immerhin ein paar
Läden, in denen man eine ganz feine Auswahl findet. So zum
Beispiel im nördlichen Teil der Jl. Malioboro. Kurz vor den
Gleisen findet man einen kommerziellen Kassettenladen in dem es einen
grossen ‘Alternative’ Bereich gibt. Der Name des
Ladens ist
mir entfallen... aber es ist der einzige Kassettenladen in dieser
Gegend und es lohnt sich...
Aus Forschungszwecken habe ich natürlich auch alle Tapes
erstanden, um die ich sonst einen Bogen geschlagen hätte, denn
es
ist schon erstaunlich, wieviele sexistische Texte produziert werden.
Nun habe ich also eine grandiose Sammlung an dumpfen Sprüchen
und
geradezu ekelhaften Texten. Da ich mich um die Frauen innerhalb der
Szene kümmerte, waren gerade diese Texte von besonderem
Interesse
für mich, denn obwohl viele Männer behaupteten,
Frauen
würden in der Szene willkommen geheissen, muss ich dem leider
wiedersprechen. Viele Männer in der indonesischen Szene
scheinen
sich nicht wirklich von gesellschaftlichen Vorstellungen und
Zwängen zu lösen. Frauen werden getreu der
islamischen
Tradition als immer noch als minderwertige Wesen behandelt. Das macht
sich vor allem in dummen Sprüchen aber auch in sexuellen
Belästigungen bemerktbar. Viele Frauen beklagten sich
darüber, dass sie auf Konzerten belästigt und
angegrapscht
werden. Tatsächlich sieht man nie Frauen tanzen, da der
Moshpit
wohl das ideale Feld ist, um Frauen an die Brust zu packen. Die
sexisitsche Behandlung von Frauen begrenzt sich
selbstverständlich
nicht auf die Szene, sondern ist in der gesamten Gesellschaft
allgegenwärtig. Auch Touristinnen, die alleine reisen oder
einfach
durch die Stadt bummeln, haben ständig irgendwelche Idioten an
der
Backe, welche die Frauen für leichte Beute halten. Werden all
zu
aufdringliche Männer abgewehrt, berufen diese sich nicht
selten
darauf, dass sie ja nur freundlich seien wollen und wir diese
Komponente der Kultur einfach missverstehen würden. Naja, dass
ist
natürlich ausgemachter Blödsinn - diese Kerle wissen
ganz
genau, was sie falsch machen, deswegen darf man ihnen auch frohen Mutes
auf die Finger klopfen!
Insgesamt muss ich sagen, dass viel Touristen in ihrer Anpassung an die
Gepflogenheiten des Gastlandes ein paar Schritte zu weit gehen. Ich
finde es schwingt auch eine gewisse Art von Überheblichkeit
mit,
wenn man Indonesien gegenüber tritt, als ob diese zum ersten
Mal
in ihrem Leben Weisse zu Gesicht bekommen. Natürlich ist ein
gewisses Mass an Einfühlungsvermögen nie ganz
schlecht, aber
wenn man versucht als Europäer zum Asiaten zu werden, dann
macht
man sich lächerlich und beleidigt gleichzeitig die Intelligenz
der
Bevölkerung des Gastlandes. Auch Indonesier können
sich
vorstellen, dass wir Europäer aus einer völlig
fremden Kultur
stammen und alleine deswegen ist es für sie kein Problem
gewisse
Fehltritte zu entschludigen. Einer dieser Fehltritte ist zum Beispiel
folgende: die linke Hand dient zum Reinigen des Allerwertesten. Wenn
man also mit der linken Patschhand im Essen wühlt, dann ist
das
nicht gerade High-Class Benehmen. Bäder im
europäischen Sinne
gibt es in Indonesien übrigens nur in den Touristengebieten.
Ansonsten hockt man eben über irgendwelchen Löchern,
um sich
zu entleeren. Abgespült und abgeputzt wird dann mit Wasser aus
dem
Mandi, einem meist gemauerten Becken mit reichlich Frischwasser -
manchmal tut’s auch ein Eimer. Wie dem auch sei - in das
Mandi
sollte man nicht mit den Flossen rein und schon gar nicht die Quanten
darin waschen, schliesslich will der nächste Besucher das
Bades
ohne Herpes, Krätze, o.ä. verlassen. Zum Wasser
schöpfen
gibt es also kleine Schälchen oder Kokosnussschalen. Das nur
so am
Rande, der kleine Punkrock Knigge sozusagen...
Wo ich gerade schon bei Krankheit, Tod, Pest und Verwesung war.
Natürlich sollte man immer gut geimpft in tropische
Länder
reisen. Was man genau braucht, weiss ich nicht, hab sowieso schon alles
was man so benötigt. Allerdings ist mit Krankheiten gar nicht
so
zu spassen. Die Studentengruppe bediente so ziemlich alle Register. Von
Amöben im Darm, über Dengue-Fieber, bakteriellen
Infekt, etc.
gab es so ziemlich alles. Der wirklich schlechte Zustand der
Krankenhäuser in Indonesien wurde uns daher auch vor Augen
geführt. Katrin lag 9 Tage mit extrem hohem Fieber in
Yogyakarta
im Krankenhaus, weil die Ärzte es nicht schafften eine
Diagnose zu
stellen. Nachdem die Kranke nach Singapore ausgeflogen worden war,
dauerte es nur 3 Tage bis sie wohlgenesen zurückfliegen
konnte. Im
Notfall ist also eine schicke Krankenversicherung nicht das
Schlechteste...
Mir ging es übrigens bis auf eine halbtägige, aber
total
mörderische Fieberattacke gut! Und Durchfall hatte ich dank
meines
Pferdemagens auch nicht!
Während ich in Indonesien weilte, bereitete sich das Land auf
den
zweiten Wahlgang vor. Die amtierende Präsidentin Megawati trat
in
einer Stichwahl gegen einen Ex-General der Suharto Ära an.
Allerdings bekam ich vom Wahlkampf kaum etwas mit. Überhaupt
kein
Vergleich zu den Propaganda Schlachten in Süd Amerika oder
auch in
Europa. Man hatte das Gefühl, als ob sich niemand wirklich
für die Wahl interessierte. Gewählt wurde just an
jenem Tag,
an dem ich das Land verlassen habe. Und tatsächlich hat sich
die
Bevölkerung für den Ex-General entschieden. Prima,
damit ist
mal wieder einer der Fressen an der Macht, die früher
Massakern an
Kommunisten und Andersdenkenden verübt haben. Aber damals ging
es
auch der Wirtschaft besser, ja ja! Warten wir also mal ab, was sich in
diesem Land entwicklet...
Wie dem auch sei, es wird Zeit ein Fazit zu ziehen. Und das
fällt
mir nicht wirklich einfach, denn die Zeit in Indonesien war
anstrengend, teilweise frustrieren, oft schön und in allen
Fällen sehr sehr intensiv. Mein ganzes Leben dort hat sich
deutlich von den Reisen unterschieden, die ich bislang unternommen
habe. Ich habe wesentlich angestrengter beobachtet, viel mehr
Interviews geführt und methodischer recherchiert. Und um so
tiefer
bin ich auch zu den Problemen der Szene und der Gesellschaft
vorgedrungen. Diese Erfahrungen waren nicht immer einfach und haben
mich teilweise fast überfordert. Ich hatte Zeiten, wo ich am
liebsten alles hingeworfen hätte und mich einfach nur verpisst
hätte. Eine genaue Beschreibung meiner Forschung
könnte ihr
in naher Zukunft erwarten, denn mein Abschlussbericht wird nicht zu
lange auf sich warten lassen. Bis dahin verbleibe ich mit
Grüßen & hoffe, dass ihr die Kontaktadresse
nutzt, um
mit indonesischen Punks in regen Austausch zu treten.
GREETINGS & THANK YOU: Ojie, Ina, Didit, Melan, Bofak, Irwan,
Iphey, Ari, Bagus, Martinus, Destroyer, Astrid, Diana, Devi, Sivi, and
all the other friends I’ve forgot now!
MORTAL COMBAT, DOMESTIK DOKTRIN, NOISE FOR VIOLENCE, TO DIE, RELIGIOZ,
X12, PUSINK, and all the others.
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