PIROMANOS DEL RITMO (Chile) 


Es hat ja ewig gedauert bis euer erstes Album erschienen ist. Erzählt mal, was da genau vorgefallen ist.

PABLO CERILLOS: Nun gut, man hat uns zunächst einen wirklich guten Vorschlag gemacht. Wir konnten unser Album in einem guten Studio gratis aufnehmen. Und aufgrund dieser Abmachung glaubten wir an eine vertrauensvolle Beziehung.
LLAMARADA HOMERO: Wir hatten einfach treuherziges und blindes Vertrauen.
WALO MECHA: Ausserdem kannten wir ihn auch schon lange. Zumindest wussten wir, wer er ist.
PELOS EN LLAMAS: Er war oder ist eine Person, die in dieser ganzen Musikszene bekannt ist. Ausserdem spielte er seit Jahren in einer Band und hat anderen Bands bei ihren Aufnahmen geholfen.
WALO MECHA: Zudem war er seit Jahren ein Freund unseres alten Sängers Igo Fuego Latino. Die Verbindung zu Roberto wurde von all unseren Freunden, die ihn kannten gut geheissen. Alle waren begeistert, dass er mit uns aufnehmen würde.
LLAMARADA HOMERO: Und er hat uns ja schliesslich auch angesprochen und uns angeboten eine CD aufzunehmen.
WALO MECHA: Der ursprüngliche Plan sah folgendermassen aus: Er würde mit uns die CD aufnehmen und die Produktion der CD in Gang bringen. Er hat nämlich auch die entsprechenden Kontakte zu einem Presswerk. Wir sollten die Hälfte der Kosten übernehmen.
PELOS EN LLAMAS: Also haben wir ihm das Geld gegeben und er hat gesagt, er habe die Master CD ans Presswerk weitergeleitet. Die Telefonnummer des Presswerks hat er uns genau an dem Tag gegeben, als er für eine dreimonatige Tour mit seiner Band GRIZ nach Europa aufgebrochen ist. Wir haben dann mal im Presswerk angerufen, um zu erfahren, wann denn die CDs soweit seien. Die haben gesagt, dass nie eine Master-CD angekommen sei. Von PIROMANOS DEL RITMO hatten die noch nie etwas gehört. Das einzige was sie mit Robertos Namen anfangen konnten, war die neue GRIZ CD.
WALO MECHA: Dannach haben wir überhaupt nichts mehr von Roberto oder von den CDs gehört. Vom Geld natürlich auch nicht. Allerdings haben wir dann heraus gefunden, dass es noch andere Leute gibt, denen er Geld schuldet.
LLAMARADA HOMERO: Irgendwann hat er dann eine E-mail geschrieben und behauptet, dass seine Freundin das Geld habe und sich um alles kümmern würde, während er auf Tour sei. Ich habe sie dann angerufen und total genervt. Aber sie wusste von überhaupt nichts, Roberto hatte ihr gar nichts gesagt oder erzählt. Da hatten wir dann die Ahnung, dass unsere CD wohl nie erscheinen wird.
PELOS EN LLAMAS: Heute zeigt er sich wohl reumütig... in Anführungszeichen: “reumütig”...
LLAMARADA HOMERO: Bevor das alles lief, kam ja auch noch Ingo in Chile vorbei und schlug vor uns bei der Produktion der CD mit ein bisschen Geld zu unterstützen. Die Kohle haben wir natürlich auch Roberto gegeben.
PELOS EN LLAMAS: Und prompt sah er sich in einem Betrugsfall verwickelt, hahaha.
LLAMARADA HOMERO: der kleine Betrug.
WALO MECHA: der kleine Großbetrug.
LLAMARADA HOMERO: Dank der Hilfe von Ingo haben wir es dann Monate später geschafft die CD zu veröffentlichen.
WALO MECHA: durch die wertvolle Hilfe von Ingo
PABLO CERILLOS: den tollsten Deutschen, den es gibt, haha.
DR. BLAS: Wir sind wirklich sehr dankbar.
PELOS EN LLAMAS: Deswegen hat die Veröffentlichung fast ein Jahr gedauert.
DR. BLASS: Aufgenommen haben wir schon im Dezember 2005.
WALO MECHA: Deswegen sind auf der CD auch Songs, die wir mittlerweile gar nicht mehr spielen.
LLAMARADA HOMERO: Das sind aber nur zwei Songs.
WALO MECHA: “Paco bueno, paco muerto” und “Callado”

Ihr wurde also von Roberto ganz schön übers Ohr gehauen. Hat sich eure Sichtweise von “Freundschaft” dadurch verändert? Wem vertraut ihr überhaupt noch? Und wie würdet ihr Freundschaft, bzw. Vertrauen definieren?

WALO MECHA: Stimmt schon, wir sind wirklich nach dieser ganzen Geschichte, die uns Roberto angetan hat, etwas desillusioniert.
PABLO CERILLOS: Wir glauben niemandem!
PELOS EN LLAMAS: Ich glaube, dass wir, sobald es um Geld geht, einfach nicht mehr so viel Vertrauen haben. Innerhalb der Band, sind wir dafür engere Freunde geworden. Freundschaft bedeutet uns schon sehr viel. Und aber wir werden dem nächsten  Kerl, der uns anbietet eine CD mit uns zu veröffentlichen, bestimmt nicht diese Art von Freundschaft entgegen bringen. Es wird wahrscheinlich immer eine gewisse Form von Misstrauen geben, sobald es um’s Geld geht.
LLAMARADA HOMERO: Unser Fehler war es, so zu sein, wie wir eben sind. Wir haben Roberto einfach als Freund gesehen, der uns aus Freundschaft einen Gefallen tut. Das kann man nun wirklich völlig ausschliessen. Und so haben wir erkannt, dass dich wirklich jede Person bescheissen kann.
PELOS EN LLAMAS: Wenn es um’s Geld geht, dann ist eben ziemlich schnell Schluss mit Freundschaft und “Friede Freude Eierkuchen”.
WALO MECHA: Trotzdem glaube ich, dass wir und unsere wirklichen Freunde nicht mehr vertrauen. Es gibt einfach einen Unterschied zwischen echten Freunden und irgend so einem Wichser, der dir das Blaue vom Himmel verspricht. Es gibt innerhalb der Band keine Person, der ich nicht voll vertraue.
LLAMARADA HOMERO: Ganz abgesehen davon, hat uns diese ganze Geschichte gezeigt und geholfen zu erkennen, dass wir nicht nur unseren eigenen Scheiß gebacken bekommen, sondern, dass es auch noch viel besser ist sich selbst um alles zu kümmern. Wir haben jetzt die richtigen Kontakte zum Presswerk, etc. Letztendlich ist alles sogar viel besser gelaufen als gedacht. Ursprünglich wollten wir ja nur 500 CDs pressen lassen. Nun haben wir allerdings eine Auflage von 1000 CDs bekommen. Und das zum fast identischen Preis.
PELOS EN LLAMAS: Trotzdem muss man sagen, dass wir alle dadurch sehr misstrauisch geworden sind. Zumindest bei allem, wo es um Geld oder Geschäfte geht.
LLAMARADA HOMERO: Deswegen, werde ich jedem misstrauen, der uns angeblich ohne Eigeninteresse weiterhelfen möchte, oder in unseren Projekten intervenieren möchte. WALO MECHA: Ab jetzt machen wir eben wirklich alles selber. Wir vertreiben die CD, wir besorgen das Geld, wir kontaktieren die Vertriebe und Labels. Und es geht ja nicht nur um das Geld, welches wir verloren haben. Es gibt ja immer zwei Seiten der Medallie. Und so haben wir ja auch mit Ingo ein viel bessere Verhältnis. Er hat - fast ohne uns zu kennen - Vertrauen in unser Projekt und hat uns wirklich aus der Patsche geholfen. Wir haben einen Anteil der CDs gratis bekommen.Für den Rest der CDs haben wir dann auch nur einen unglaublich günstigen Preis bezahlt. Diese Geschichte mit Roberto ist nun einfach vorbei. Sowas kann einem leider in jedem Moment des Lebens passieren.
PELOS EN LLAMAS: Von unserer Seite war es einfach ein Vertrauensexzess, haha
WALO MECHA: Zum Glück waren wir nicht die einzigen, die von ihm beschissen worden sind. Man muss neidlos anerkennen, dass er einfach die Kunst des Redens versteht. Der Wichser weiss wirklich, wie man Leute überzeugen kann. So hat er auch die C.F.A. (eines der ersten chilenischen Punk-Labels) betrogen, die ja schon seit ewigen Zeiten CDs produzieren.

Kommen wir doch mal auf die Beziehungen innerhalb der Band zu sprechen. Seid ihr gute Freunde, oder trefft ihr euch nur zu den Proben und Auftritten? Wo habt ihr euch überhaupt kennen gelernt?

WALO MECHA: Wir sind richtig dicke Freunde. Wir hängen ständig zusammen rum.
PELOS EN LLAMAS: Wir treffen uns nicht nur zum Proben. Wir treffen uns oft abends, um Drogen zu kaufen, zu labern, Filme zu glotzen oder uns zu besaufen...
LLAMARADA HOMERO: Ich glaube wir treffen uns häufiger, um Scheisse zu bauen, als zum Proben. Wir proben wirklich super selten. Aber wir kommen trotzdem mindestens zweimal die Woche zusammen. Um zu kiffen, Musik zu hören und Bier zu trinken...Man muss dazu auch sagen, dass wir früher ein paar Bandmitglieder hatten, die sich dem Rythmus der PIROMANOS nicht anpassen konnten. Wir proben wenig, wir sind nicht so ernsthaft und vor allem nicht professionell. Da muss man sich wirklich genau so sein wie wir, um das auszuhalten.
WALO MECHA: Im großen und ganzen steht die Band aber nun. Nur Igor ist jetzt weg. Er hat die CD mit uns aufgenommen, um sich dannach völlig dem HipHop zu verschreiben. Aber wir treffen ihn ständig und haben noch immer ein tolles Verhältnis zu ihm. Und falls er eines Tages zurück kommen möchte, ist er immer willkommen. Das ist das selbe Phänomen wie bei Pablo Cerillos und Blas TNT. Pablo hat uns mal für ein paar Monate verlassen, weil ihm die ständigen Konzerte auf den Keks gegangen sind. Wir haben damals wirklich viel gespielt. Naja, später ist er eben wieder zur Band gekommen. Und jetzt ist er wieder dabei! Das selbe gilt für Blas, der früher immer nur auf so einer freiwillgen Basis dabei war. Jetzt hat er einfach den Job von Igo Fuego Latino übernommen.
LLAMARADA HOMERO: Ich glaube Freundschaft ist wirklich der einzige Faktor, der die Band zusammen hält. Wir sind einfach eine Clique, hahaha
PELOS EN LLAMAS: An dem Tag, an dem wir keinen Bock mehr haben zusammen rumzuhängen, an dem Tag wird die Band aufgelöst. Für keinen von uns, ist das hier eine Art von Arbeit, ein Auftrag oder sowas...
WALO MECHA: Auch mit den ehemaligen Mitgliedern der Band haben wir noch eine wirklich coole Beziehung. Wir hatten zwar alle mal ein wenig die Krise, zum Beispiel mit Cris Dinamita.. aber sowas ist normal. Auch unter Freunden. Gestern zum Beispiel hingen wir auch gemeinsam ab. Wir haben einfach nur Bier getrunken... geendet hat es damit, dass sich Pelo en Llamas und Blas die Kante mit Pisco gegeben haben. Mit Llamarada Homero trifft man sich einfach, um einen Joint zu rauchen, ein wenig zu palavern und Musik zu hören. Wir haben einfach gemeinsame Interessen. Wir hören zwar nicht die gleiche Musik, aber wir haben gemeinsame Interessen: Kino, Drogen, etc.
PABLO CERILLOS: Vor allem Drogen!
WALO MECHA: Tja, wie wir uns kennen gelernt haben. Ich habe früher mit  Llamarada Homero und Pablo Cerillos in einer Band namens DESECHABLES gespielt.
PABLO CERILLOS: Ich habe euch an der Uni kennen gelernt.
DR. BLASS: Llamarda kenne ich über Raul von Sin Apoyo. Tja, man kennt sich einfach von Konzerten und durch Punk!
WALO MECHA: Naja, PIROMANOS DEL RITMO entspringt einfach dem Kollektiv A.M.W. (Ausgebeutete, Marginalisierte, Wütende). Daher kennen wir uns.
DR. BLASS: Klar, daher kommen PIROMANOS DEL RITMO?
PABLO CERILLOS: Was war denn A.M.W.??
LLAMARADA HOMERO: Naja, die Leute, die sich zusammengefunden haben, um Steine auf die Bullen zu werfen...
WALO MECHA: Daher kennen wir uns.
PELOS EN LLAMAS: Deswegen sind auch unsere Texte so zerstörerisch. Uns macht es wirklich Spass Sachen zu verbrennen.

Es scheint so, als ob ihr eine politische Band seid? Stimmt’s oder nicht? Nehmt ihr also auch an Demonstrationen und Aktionen teil?

WALO MECHA: Ich glaube zu Beginn der Band waren wir alle noch etwas aktiver.
LLAMARADA HOMERO: Ja, das stimmt, aber die Band bleibt trotzdem politisch!
PELOS EN LLAMAS: Wir transportieren immer noch unsere Ideen und unsere Kritik.
LLAMARADA HOMERO: Kann schon sein, dass wir den Diskurs gar nicht so in die Praxis umsetzen, aber in unseren Texten spiegelt sich dafür unser politischer Standpunkt.
WALO MECHA: Wir sind einfach nicht mehr so wie früher, als wir wirklich oft zu Demonstrationen und Aktionen gegangen sind. Meiner Ansicht nach sind diese Demonstrationen sehr an die Funktionalität des Systems gebunden. Es ist eigentlich immer das gleiche... Ich möchte eben alles etwas anders machen. Ich möchte meinen Hass in anderen Formen zum Ausdruck bringen.
LLAMARADA HOMERO: Manchmal hängt man sich einfach zu sehr in irgendwelche Dinge rein. Wenn dann aber nichts passiert, oder alles immer beim gleichen bleibt, dann langweilt man sich schnell. Ausserdem erkennt man dann irgendwann, dass sich auch in deiner eigenen Umgebung, die totale Scheisse abspielt.
PELOS EN LLAMAS: Auch wenn es wie ein Klischee klingt, aber wir manifestieren unsere Art zu denken in unserer Musik. Wenn wir keinen Krach machen würden, dann müssten wir uns andere Ausdrucksformen suchen.
WALO MECHA: Das komische an unserer Band ist, dass PIROMANOS DEL RITMO auf jeden Fall eine politische Band ist, dass wir aber nicht mit eindeutiger Sicherheit sagen können, für welchen politischen Standpunkt wir stehen. Ob wir nun Anarchisten, Kommunisten oder Nihilisten sind... keine Ahnung. Sicher ist, dass die Band PIROMANOS DEL RITMO einen unglaublichen Hass auf das System und das Kapital hat. Dazu kommt dann noch dieser tagtägliche Hass, den wir in unserem täglichen Leben produzieren.
LLAMARA HOMERO: Trotzdem haben sich die Texte seit dem Beginn der Band gewandelt.
WALO MECHA: Aber diese Wandel stimmt einfach mit unserer Lebenserfahrung überein. Jetzt sind die Texte einfach methaphorischer, statt die ganze Zeit nach Krawall und Aufstand zu rufen. Diese Veränderung hat uns hinbewegt zu Themen, die wir alle mögen: Horror, das Absurde und Bizarre.
DR. BLASS: Klar, man kann ja auch nicht immer nur singen, dass man alles verbrennen, Mollies werfen und alles kaputt hauen möchte! Das war dann eben auch so eine Sache, die immer das selbe sein würde.
WALO MECHA: Ja, einmal wurden im Fernsehen Bilder gezeigt, von einer Demonstration, an der wir uns beteiligt haben. Da wurden zunächst Bilder von den Ausschreitungen gezeigt. Dann sah man aber auch einen Bullen, der da rumtänzelte, während wir am protestieren waren. Der Bulle hat sich wirklich totgelacht und hatte richtig seinen Spass an der Demonstration. Da kam es mir so vor, als ob die Polizei, die ganze Sache als ein Spiel betrachten. Die Unterdrückung von Demonstrationen, gehört bei denen einfach dazu. PELOS EN LLAMAS: Jeder, ob Polizist oder Demonstrant macht seinen Job und dannach geht man eben nach Hause ins Bett.
WALO MECHA: Und die Demonstraten fühlen sich total rebellisch, weil sie eben auf einer Demonstration waren. Jeder hat seine Pflicht erfüllt! Ich meine ja nicht, dass alle so handeln. Aber es gibt einfach einen großen Anteil an Leuten, die so denken und handeln.
PELOS EN LLAMAS: Natürlich bedeutet das nicht, dass wir gegen Proteste und Demonstrationen sind.
WALO MECHA: Gewalttätige Ausschreitungen machen uns nach wie vor Spass...
PELOS EN LLAMAS: Ich glaube, dass heute viele Leute von PIROMANOS DEL RITMO vor allem wegen unserem früheren Engagement, ein ganz eigenes Bild haben...
WALO MECHA: Ja, ich glaube auch, dass diese Vorstellung von “gefährlichen Typen” der Band anhaftet. Wir sind ja auch immer vermummt aufgetreten. Heute ist das etwas anders, weil wir auch zunehmend transsexuelle und bizarre Elemente in unsere Show einbauen. Wir spielen dann schon mal mit Masken und Gummi-Brüsten...
PELOS EN LLAMAS: Wir lachen uns dabei über uns selbst kaputt. Und wir machen uns auch gerne lächerlich mit unseren Verkleidungen und Masken. Wir wollen nicht mehr wie die vermummten Helden daher kommen, sondern wie durchgeknallte Idioten, die ihren Spass haben.
WALO MECHA: Ich glaube, dass kommt beim Publikum auch ganz gut an. Am Anfang sind wir immer vermummt zu den Konzerten gekommen... dann sind wir gemeinsam aufgetreten und haben den Eindruck erweckt, wir würden gerade zu irgend einer Strassenschlägerei aufbrechen. Dazu haben wir dann Slogans gebrüllt und Pamphlete verteilt. Eine Show machen wir zwar heute auch noch, aber jetzt ist da eben der Aspekt des Horror dazu gekommen. Wir wollen einfach ausdrücken: Das Leben ist Scheisse, und wir sind Teil des Lebens, also auch ein Teil der Scheisse. Wir sind keine Helden, keine Richter und keine Erlöser, oder sonst irgendwas...
 
Könnt ihr trotzdem eure politische Attitüde beschreiben?

WALO MECHA: Ich glaube wir sind eine Ansammlung von linksradikalen Strömungen. Und wir sind gegen das kapitalistische System.
PABLO CERILLOS: Wir haben nichts mit der Rechten zu tun... Gott würde mich sonst bestrafen, hahaha
LLAMARADA HOMERO: Tja, wir sind im Moment gar nicht so aktiv mit der Band, weil wir einfach sehr stark mit anderen Sachen beschäftigt sind - allerdings nicht mit ständigen Revolten...haha... wenn man unseren Namen liest oder unsere Demo-CD hört, dann bekommt man ja den Eindruck...
WALO MECHA: Damals, als wir dieses Demo veröffentlicht haben, waren wir wirklich permanent dabei Mollies zu werfen und vermummt herum zu laufen. Jetzt nicht mehr so. Wenn sich bei einer Demonstration allerdings die Gelegenheit bietet eine Bank zu smashen oder einen Bullen zusammen zu hauen, dann machen wir das auch...
PABLO CERILLOS: Oder wenn mir jemanden sehen, der so etwas tut, dann schauen wir uns das mit Freude an! Wir sind Symphatisanten.
PELOS EN LLAMAS: Und eingeknastet werden wir dann alle!
DR. BLAS: Genau!
Eure Texte haben ja mit den typischen Song von Anarchopunk Bands nicht so viel gemeinsam. Wie ist denn euer Verhältnis zu anderen Punk oder Anarchopunk Bands. Wie seht ihr die Anarchopunk Szene insgesamt?
PABLO CERILLOS: Zunächst einmal muss ich sagen, dass wir uns nicht als Anarchopunk Band fühlen. Und wie wir die Anarchopunk Szene sehen?? Naja, ziemlich viele Aufnäher... hahaha.
PELOS EN LLAMAS: Nein, wir sehen uns wirklich nicht als Teil dieser Szene, auch wenn wir überhaupt nichts gegen diese Bewegung haben. Wir fühlen uns zwar nicht als Teil dieser Szene, sind aber dennoch permanent von Leuten aus dieser Richtung umgeben. Denn wir gehen auf die selben Konzere, hören die selbe Musik, haben gemeinsame Interessen, etc. Es gibt also eine starke Verbindung und Symphatie, aber wir verstehen uns nicht als Teil dieser Bewegung.
LLAMARADA HOMERO: Weil wir auch gar nicht so ernst und konsequent sind.
WALO MECHA: Ja und weil wir eben Punk und ein bisschen älter sind.
PABLO CERILLOS: Wir sind Punks vom Gefühl her.
WALO MECHA: Die Optik des Punk ist bei uns nicht mehr das wichtigste. Blas TNT sieht zum Beispiel eher aus wie so ein Heavy Metal Typ, hahaha.
LLAMARADA HOMERO: Aber wir haben ganz gute Kontakte zu andern Bands. Natürlich nicht mit jedem... aber es gibt hier ja auch so viele Bands, dass man gar nicht alle kennen kann. Naja, trotzdem passiert es eben auch in dieser kleinen Szene, dass es viel Streit und Missgunst gibt. Ausserdem sagt man sich hier die Probleme nie auf den Kopf zu. Trotzdem können wir behaupten, dass wir mit vielen Leuten ein gutes Verhältnis haben. Aber vielleicht sehen das genau diese Leute ja auch anders. Das ist wirklich ein Problem, dass keiner sagt, was ihn stört. Das ist vor allem einigen “politisch korrekten” Bands zum Verhängnis geworden.  
WALO MECHA: Aber PIROMANOS ist eben keine Band, die sich als “politisch korrekt” empfindet. Manchen Leuten passt das nicht, aber etwas dagegen sagen tun sie letztlich auch nicht. Was dann letztlich dabei heraus kommt sind diese anonymen Beschuldigungen... aber daran stören wir uns nicht wirklich.
PELOS EN LLAMAS: Bislang gab es auch wirklich keine ernsten Probleme. Viele Leute finden unsere Einstellung in Ordnung.
WALO MECHA: Es ist ja auch nicht so, dass wir totale Assis sind. Immer, wenn wir gefragt werden, ob wir nicht bei irgendwelchen Aktivitäten helfen wollen, dann tun wir das auch. Wir unterstützen eine Vielzahl an sozialen Projekten, in dem wir auf Benefizkonzerten spielen oder einfach so Hand anlegen.
PABLO CERILLOS: Abgesehen davon sind wir auch musikalisch nicht so eingeschränkt. Wir haben viele Freunde, die einen total anderen Musikstil spielen.
WALO MECHA: Deswegen sind die PIROMANOS auch in keiner Musikszene so richtig definiert. Wir spielen zusammen mit Rockern, Punks, Hardcore und SXE, Anarchopunks, HipHop, Metalheads, Cumbia, Pachange, Trash und Grindcore... usw.
Ich glaube das liegt auch daran, dass wir schon immer auf verschiedenste Konzerte gehen und daher total verschiedene Leute aus diversen Szenen kennen. Zum Beispiel kenne ich da so einen Typen, der hat 1994 Punk gespielt. Jetzt macht er Rock’n’Roll. Und trotzdem ist es einfach ein Freund, obwohl er mit seiner Band keine politischen Songs mehr singt. Natürlich sind das dann auch keine Nazis. Mit irgendwelchen Naziarschlöchern würden wir natürlich nie zusammen spielen.
PELOS EN LLAMAS: Um noch mal schnell auf die Bewegung des Anarchopunk zu sprechen zu kommen. Letztlich geschieht in der dieser Szene genau das gleiche, wie in allen Musik-Szenen. Irgendwann geht es los mit dieser Gehässigkeit und den Ego-Kriegen. Und dann wird alles zu einer kleinen Komödie.
LLAMARADA HOMERO: Tatsächlich haben wir festgestellt, dass es zu dieser Entwicklungg kam, und daran wollten wir uns einfach nicht beteiligen.
WALO MECHA: Manchmal sind auch diese Anarchopunks die totalen Fetischisten. Dann wollen sie unbedingt das neuste T-Shirt oder die neuste CD, der anarchopunkigsten Band der Welt haben. Und dann ziehen sie wieder den Schwanz ein, vor dem, der konsequenter und politischer ist, als sie. Noch anarchistischer, noch punkiger... Naja, aber das gibt es wie gesagt in jeder Szene. Wer ist der coolste Rocker, der größte HipHoper, etc...
PELOS EN LLAMAS: Wir glauben auch einfach nicht daran, dass es ausgerechnet die Anarchopunk Szene sein wird, welche die Erde befreien wird. Der einzige Unterschied zu anderen Stilrichtungen ist eben, dass die Beteiligten mehr Bewusstsein für die Gesellschaft und die Klassen haben. Das ist natürlich nicht schlecht!

Mir erscheint eure Band, als eine Mischung aus Anarchisten und Nihilsiten. Glaubt ihr, dass Anarchismus etwas für die jungen Idealisten und Nihilismus etwas für die alten Verzweifelten ist?

WALO MECHA: Ja und nein, da ist schon etwas dran.
PABLO CERILLOS: Hm, vielleicht sind wir, vor allem wegen unsere Anfänge doch eher Anarcho.
LLAMARADA HOMERO: Man verändert sich ständig. Man erleidet schlimme Desillusionen, niemand ist zudem 100% konsequent, und der Zweifel und Widerspruch ist etwas, was in wirklich allen Menschen besteht. Wir sind ja auch nur menschliche Wesen, wir alle irren uns ständig in irgendetwas. Darum sind wir ja auch eine Scheiss-Spezies.
PELOS EN LLAMAS: Aber ich glaube, dass wir einen Nihilismus praktizieren, der nicht frustriert ist.
LLAMARADA HOMERO: Aktiver Nihilismus!
PELOS EN LLAMAS: Wir wissen zwar, dass wir die Welt nicht verändern werden, und dass es für unsere Leben und für diese Welt bergab geht, aber trotzdem möchten wir etwas tun. Wir werden nicht mit verschränkten Armen dastehen, während um uns herum alles zusammen bricht.
DR. BLASS: Genau!
WALO MECHA: Oder wir verlassen, die Welt, bevor sie vollständig in der Scheisse untergeht. Trotzdem würde ich die Band nicht als anarchistisch sehen. Natürlich waren unsere Texte zunächst vom Situationismus und auch vom Anarchismus geprägt. Aber darüber hinaus haben wir auch andere Themen und Formen etwas auszudürcken.
PELOS EN LLAMAS: Ich glaube, dass man sagen kann, dass der Anarchismus ist eine Art Diskurs ist, der eben nur Anarchisten zu Wort kommen lässt. Ich glaube wir führen eine andere Art von Diskurs, in welchem jeder das einbringen kann, was er denkt. Und natürlich sind dabei dann auch Dinge, die dem Anarchismus ähneln. Wir würden uns aber nicht als Anarchisten deklarieren oder unser Denken unter den Begriff Anarchismus zusammen fassen.
WALO MECHA: Es stimmt irgendwie, dass der Anarchismus etwas für idealistische Jugendliche ist. Aber nicht alle Anarchisten sind so. Und die Nihilisten sind bestimmt nicht alle alt und frustriert. Es gibt einfach vielerlei Färbungen.
LLAMARADA HOMERO: Wir sind eine Mischung aus beidem. Nihilismus und Anarchismus. Darüber hinaus sind wir weder alt noch jung.
PELOS EN LLAMAS: Wir sind jünger als alt.
WALO MECHA: Wir sind zwischen den jugendlichen Idealisten und den alten Frustrierten. Wir sind frustrierte Idealisten, hahaha.

In euren Texten stellt ihr euch sehr zerstörerisch dar. Alles nur Show, oder seit ihr wirklich Krawalltouristen?

Alle: aaaaahhh... (Lachen)
PABLO CERILLOS: Willst du jetzt Videobeweise oder Zeitungsartikel?
WALO MECHA: Wir werden bestimmt nicht den Schwanz einziehen und jetzt darüber debattieren, ob wir mit unserer Einstellung konsequent sind oder nicht. Die Konsequenz kann dich überall hinbringen. Und oft bringt sie dich überhaupt nirgends hin. Ist es zum Beispiel inkonsequent, wenn man sich Antikapitalist nennt und dann trotzdem mit dem Bus oder der Metro fährt? Immerhin bezahlt man damit “menschliche Arbeitskraft”.
PABLO CERILLOS: Ach, wer ist denn schon wirklich konsequent?
DR. BLASS: Niemand
WALO MECHA: Genau, denn letztlich ist man immer dazu gezwungen irgendetwas zu kaufen, was letztlich auf der Basis von Ausbeutung produziert wurde. Ich glaube man sollte die Debatte über Konsequenz nicht zu sehr beachten, sonst platzt einem noch der Kopf.  
LLAMARADA HOMERO: Es geht einfach darum zu sich und seinen Gefühlen ehrlich und konsequent zu sein.
PABLO CERILLOS: Und dabei darfst du nie vergessen, dass du niemals 100% konsequent sein wirst.
WALO MECHA: Aber zur Frage. Manchmal sind wir eben so, wie wir uns in den Texten darstellen. Wir errichten Barrikaden und zünden Bullen an... okay, das war nur einmal, hahaha.
DR. BLASS: Nur einmal... und jetzt sind wir reumütig, hahaha.
PELOS EN LLAMAS: Uns gefällt die Zerstörung. Banken in die Luft sprengen, Mc Donalds anzünden, Autos und Bullenkarren verbrennen. Gefällt uns alles!
LLAMARADA HOMERO: Ich sehe diese Strassenschlachten aber etwas anders als früher. Barrikaden zu bauen und sich Gefechte mit der Polizei zu liefern kann ja nicht alles gewesen sein. Das ist nicht die Lösung für die Probleme. Aber man muss es mitgemacht haben, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen.
WALO MECHA: Abgesehen davon habe ich oft das Gefühl, dass es viele Leute gibt, die auf Randale aus sind, nur um etwas zu zerstören. Aber eine politische Richtung oder ein politisches Interesse ist dabei selten zu erkenne. Die hauen eben alles kaputt aus Spass daran. Ich finde das jetzt auch nicht besonders schlimm, aber ohne einen politischen Anspruch wird eben alles nur kaputt gemacht und nichts aufgebaut.
PELOS EN LLAMAS: Bei den letzten Aufständen der Schüler und Studenten konnte man gut sehen, wie sich es zu einer Mode entwickelte hatte auf die Strasse zu gehen und die Sau rauszulassen. Die Kids haben sich zusammen gefunden, als würden sie in die Mall gehen oder zusammen Videospiele zocken. Aber man verabredete sich, um Stein zu werfen...
LLAMARADA HOMERO: Ich muss auch sagen, dass ich nach einer Zeit das Gefühl hatte, dass es immer wieder auf das selbe hinaus läuft. Man richtet ja noch nicht mal einen richtigen Schaden an. Keiner nimmt davon Notiz, ob jetzt ein paar Barrikaden errichtet werden oder nicht. Oft erscheint es mir, als seien diese Aufstände lediglich symbolisch. Vielleicht im Gedenken an diejenigen, die bereits bei solchen Aufständen umgekommen sind.
WALO MECHA: Ja, im derzeitigen, historischen Moment ist einfach niemand bereit für einen richtigen Aufstand. Wir sind ja nicht im Jahr 1973, als hier die Diktatur begann. Kein Mai 1968 oder die spanische Revolution...
PELOS EN LLAMAS: Zudem gibt es auch Kampfgefährten, die irgendwie total gestört sind und eigentlich nur auf der Suche nach Problemen und Gewalt sind. Einmal war einer dieser sogenannten “Gefährten” auf einem unserer Konzerte. Er hat einem kleinen Kidpunk mit einem Messer das Gesicht zerschnitten, nur weil der ihn in den Pogomob gezogen hat. Da kann ich mich doch wirklich nicht mehr mit identifizieren. Ich möchte nicht Teil einer Bewegung sein, die aus solchen Arschlöchern besteht. Es ist immer wichtig zu sehen, wer da eigentlich an deiner Seite kämpft.
DR. BLAS: schlimm, schlimm, schlimm.
WALO MECHA: Diese ganzen Revolten sind eine einzige Show, die sich gut verkauft und die ins System passt. Du kannst dir ja auch in Punk-Shop in der schicken Mall nen supertollen Anarchopulli kaufen...
PABLO CERILLOS: Igitt, du meinst diese Scheisspulli, auf denen “Anarchy” steht...  
WALO MECHA: Tja, letztlich wird auch die Revolte zum Produkt und wird zur Ware.

Wie habt ihr den Tod des ehemaligen Diktators Pinochet aufgenommen? Beschreibt doch bitte die Situation in Chile.

PABLO CERILLOS: Wir haben uns volllaufen lassen (Lachen)
PELOS EN LLAMAS: Ja, die Bevölkerung hat gefeiert. Aber der Alte ist auch straflos gestorben - das ist wirklich Scheisse. Diese Feierei war einerseits super, andererseits auch sehr niederschmetternd. Der alte Scheisser ist gestorben! Aber wenn man etwas drüber nachdenkt, dann fällt einem wieder ein, dass er sehr alt geworden ist, Multi-Millionär war, ganz Chile betrogen hat und nie verurteilt wurde. Er kam nie ins Gefängnis und hat nie für seine Verbrechen bezahlt.
PABLO CERILLOS: Das einzige wofür die Jubelfeier taugte, war der Umstand, dass man die Symphatisanten von Pinochet so richtig ärgern konnte. Um sich ein wenig an den noch lebenden Arschlöchern zu rächen.
LLAMARADA HOMERO: Es hat aber auch gezeigt, wieviele Nazis und Faschos es noch in Chile gibt.
WALO MECHA: Natürlich haben wir uns sehr gefreut, denn wir sind ja alle Kinder der Diktatur. Alle Bandmitglieder sind während der Diktatur geboren und haben Bekannte oder Verwandte, die unter der Diktatur gelitten haben.
DR. BLASS: All das, was wir erlebt haben prägt uns bis heute. Wenn deine Mama dich von der Schule abgeholt hat und du mit ihr nach Hause rennen musstest, weil mal wieder die Wasserwerfer mit den Leuten aufgeräumt haben. Das hat alles ein historisches Gewicht, welches noch immer auf uns lastet.
WALO MECHA: Und er ist wirklich unbestraft gestorben, das Schwein. Weil die scheiss chilenische Justiz, beziehungsweise jede Art von Justiz immer darauf Rücksicht nimmt, wer mehr Geld besitzt. Und diejenigen, die hier Reich sind, das sind nunmal die Faschos, die Rechte, Opus Dei und diese ganzen anderen Arschlöcher.
PELOS EN LLAMAS: Es ist wirklich krass, wieviele Pinochetisten und Rechte in Chile leben. Es hat mich wirklich schockiert zu sehen, wieviele Leute heulend vor dem Krankenhaus standen, als der Greis gestorben ist.
PABLO  CERILLOS: Ein wesentlich überspannterer und ungestümerer Fanatismus als bei jedlichen Anarchisten oder Revolutionären!

Mit Pinochet ist der große Feind der Linken Chiles verstorben. Was denkt ihr wird sich dadurch in der Linken ändern?

PELOS EN LLAMAS: Ich glaube, dass sich in der klassischen Linken und in der Staatspolitik nichts ändern wird. Aber auch die radikale und autonome Linke wird sich wohl nicht ändern.
DR. BLASS: Der Alte ist abgekratzt, aber alles bleibt gleich!
WALO MECHA: Die klassische Linke ist hier ja auch eher dem rechten Zentrum zuzuordnen. Selbst die kommunistische Partei kokettiert mit allen möglichen Idioten. Vor kurzem haben sie sogar Verhandlungen mit der UDI (Union Democrata Independiente, also der Partei dieser ganzen Faschos) geführt. Es ging um die nationale Erneuerung... Letztlich geht es doch allen Politikern nur um ihrer Stimmen. Das ist immer das gleiche.
PELOS EN LLAMAS: Der Tod Pinochets ändert ja auch nichts an den Umständen. Noch immer gibt es die Verschwundenen, von denen niemand weiss, wo sie sind. Noch immer werden Leichen gefunden, noch immer gibt es politische Gefangene. Und die Repression wird jeden Tag noch härter.
LLAMARADA HOMERO: Nichts hat sich geändert. Gestorben ist nur ein Symbol der Repression und des Faschismus.
PELOS EN LLAMAS: Er hat in Chile ja auch den Neoliberalismus hinterlassen. Und der bleibt bestehen, obwohl der Typ tot ist.
WALO MECHA: Der Staat handelt noch immer in der gleichen Weise, wie es Pinochet tat. Die Mapuche Indianer werden zum Beispiel noch immer verfolgt und eingesperrt. Oder die politischen Gefangenen. Obwohl sie schon ihre Strafen abgesessen haben, werden jetzt neue Verfahren aufgerollt. Es bleibt alles gleich, es ist einfach die gleiche Scheisse, wie bei Pinochet. Aber jetzt kommt alles “royal deluxe”. Jetzt darfst du dir zum Beispiel auch die letzte Scheibe von SIN DIOS in der Shopping Mall kaufen. Noch immer verschwinden Leute. Und keiner weiss etwas darüber. Wir wissen bis heute nicht, was mit Juan Pozo geschehen ist. Einen Typen, den sie gefoltert und gevierteilt haben. Man hat in einfach in Stücke gerissen und irgendwo liegen lassen. Und jetzt weiss natürlich niemand, was da passiert ist. Es gibt hier scheissviel Korruption.
LLAMARADA HOMERO: Die sozialen Spannungen verschärfen sich auch immer mehr. Neulich hat sich ein Typ verbrannt, weil er seine Wasserrechnung nicht bezahlen konnte.
WALO MECHA: Die Menschen verzweifeln immer mehr... es ist nicht das erste mal, dass sich jemand aus Verzweiflung selbst anzündet. Da gibt es einige Fälle. Die Situation wird immer schlimmer, weil sich das Land weiterentwickelt, aber die Armen trotzdem arm bleiben, und höchsten unsichere Arbeitsstellen haben. Ich glaube wir sollten auch mal betonen, dass die Band PIROMANOS DEL RITMO auch nicht aus Leuten besteht, die viel Geld besitzen. Wir alle arbeiten und müssen Arbeiten, auch wenn einige Leute uns argwöhnisch betrachten, weil einige unserer Mitglieder in privaten Universitäten studieren. Das sind aber nur lächerliche Gerüchte, die von Leuten gestreut werden, die uns nicht kennen. Wo wir leben, wo wir studieren, ob wir nun eine bessere Ausbildung haben oder nicht, ob diese unsere Eltern viel Geld gekostet hat oder nicht... Alles Gerüchte. Die Wahrheit ist, dass es uns nicht besonders gut geht, weil wir natürlich auf Pump studiert haben und nun mit den Schulden da sitzten. Bessere Jobs oder eine gute Bezahlung hat uns das bislang nicht eingebracht. Bis vielleicht auf den Lohn von Pablo Cerillos, hahaha.
PELOS EN LLAMAS: Wenn hier jemand einen guten Job findet, dann ist das wirklich Zufall. Wir befinden uns mittlerweile alle im Arbeitsleben. Und da heisst es: wir leben! wir überleben!!
WALO MECHA: Wir wollen ja auch gar nicht die dicke Kohle verdienen. Es reicht mir aus, meine Bedürfnisse zu befriedigen. Etwa Musik machen, oder ähnliches. Du siehst... man kann sagen, dass wir richtige Hippies sind! Und Pelo En Llamas ist der größte Hippie! Hahaha.

In wiefern würdet ihr denn die linke Bewegung in Chile kritisieren. Und wie sieht es mit der politischen Punkszene aus?

PELOS EN LLAMAS: Zur Punkszene haben wir uns ja in einer der vorherigen Fragen geäussert. Es gibt hier einfach zu viel Neid und Missgunst, zu viele Gerüchte und Konkurrenz. Man spricht nicht offen über die Probleme. Und alles ist sehr elitär.
WALO MECHA: Ausserdem wird ein ganz eigener Markt erschaffen. Wenn man nicht die komplette Uniform trägt und die richtigen Bands hört, dann ist man einfach nicht Teil der Szene. Dann gilst du als inkonsequent, blöde oder unwissend.
LLAMARADA HOMERO: Aber, wie gesagt, dass gibt es so ziemlich in jeder musikalischen Szene. Und auch in der politischen Szene gibt es immer eine Art Konkurrenz, wer denn nun der politischste, korrekteste oder konsequenteste ist.
PELOS EN LLAMAS: Was die linke Bewegung anbelangt, so muss man erstmal klarstellen, dass es eine sehr traditionelle und historische Bewegung in Chile ist. Seit kurzem wird aber darauf verzichtet die aktuelle Regierung zu kritisieren. Dieser “demokratische” Diskurs überdeckt die Kritik der Linken am Staat.
LLAMARADA HOMERO: Die meisten von denen leben wirklich in der Vergangenheit. Die ganze Zeit zitieren sie den geputschten, sozialistischen Präsidenten Salvador Allende und vergessen völlig, dass wir mittlerweile in einer Demokratie leben.
WALO MECHA: Auch die radikale Linke, der wir uns eher zugehörig fühlen, begeht den selben Fehler bestimmte Leute zu idealisieren. Zum Beispiel die politischen Gefangenen. Die werden hier total abgefeiert und idolisiert. Sie werden als Helden und Respektspersonen dargestellt. Aber das sind nun mal ganz normale Typen. Ich kann das sagen, weil ich viele von ihnen kenne. Aber sie sind keine Helden, auch wenn sie anders sind als du und ich.
Ein weiteres, zentrales Problem der Linken ist es, dass es ständig Streit innerhalb der Gruppen gibt. Es wird wirklich viel diskutiert und gestritten. Und zwar über irgendwelche Nichtigkeiten, über die man eigentlich nicht ewig verhandeln müsste.
Das kommt auch daher, dass einige Gruppen sich vor allem auf die Theorien konzentrieren, und andere Gruppen ihre Priorität auf die Praxis legen. Deswegen gibt es ständig Diskussionen zwischen diesen beiden Ansätzen.
LLAMARADA HOMERO: Der Anarchopunk oder auch andere politische Bewegungen propagieren den sozialen Wandel und tragen “eine neue Welt in ihren Herzen”. Aber sie kommen nie aus ihrem Zirkel heraus. Sie interagieren überhaupt nicht mit der normalen Bevölkerung, sie verschliessen sich vor der tagtäglichen Realität. Sie leben in der Realität der “Anarchopunks” aber in Wirklichkeit sind sie sehr verschlossen und ohne Weitblick. Sie sehen nicht einmal die Realität ihrer Nachbarn oder ihres Viertels.
WALO MECHA: Oft sehen sich diese Personen auch als Engel, oder Heilsverkünder oder sonst so eine Scheisse. Das wirkt so, als seien sie die Auserwählten, die keine Fehler begehen. Dabei sind sie auch nur ein Teil der üblichen Scheisse.
Ich glaube, dass es das erste ist, was man tun muss. Sich selbst als Teil des Problems verstehen und betrachten. Weil man ja einfach Teil des Lebens ist.
LLAMARADA HOMERO: Ja, das kann man einfach nicht verleugnen. Wir sind Bestandteil der ganzen Scheisse, auch wenn wir das nicht akzeptieren wollen.
WALO MECHA: Diese Typen fühlen sich überlegen, aber sie sind genauso ein Teil des Systems wie wir auch.
 
Okay, reden wir mal wieder über die Band. Auf eurem Cover sieht man ja einen Berg an Cannabis Blättern. Richtet ihr den Nihilismus auch auf eure Körper?

Lachen
PABLO CERILLOS: ja, uns gefällt Marihuana.
LLAMARAD HOMERO: So kann man es sagen (lacht)
WALO MECHA: Naja, aber trinken oder kiffen ist nicht unbedingt ein politischer Akt.
PELOS EN LLAMAS: Wir werden die Welt nicht verändern, weil wir kiffen. Aber wir machen damit trotzdem weiter. Weil es uns eben gefällt. Beim Kiffen geht es einfach um die Lust daran, nicht um einen politischen Standpunkt.
WALO MECHA: Aber ich glaube schon, dass wir unserem Körper auch den Nihilismus entgegen bringen, von dem wir vorhin gesprochen haben.
 
Viele Songs von Bands aus Latein Amerika richten sich gegen die Religion und Gott. Ist es wirklich so, dass eure Familien euch jeden Tag mit der Kirche, Jesus und Gott nerven?

PELOS EN LLAMAS: Mehr als die Familie ist es das soziale Leben Chiles, welches sehr religiös und christlich geprägt ist. Hier wird sogar die Sonntagsmesse in der Glotze übertragen.
PABLO CERILLOS: Und die Leute sagen ständig: “So Gott will” oder “Gott sei Dank”
WALO MECHA: In der Dritten Welt hat die Kirche eben einen sehr starken Einfluss auf die Politik und die Gesellschaft. Es gibt viele Verbote und Regeln, die direkt von der Kirche ausgehen. Denn sie ist nicht vom Staat getrennt.
PELOS EN LLAMAS: Bei staatlichen Entscheidungen hat die Kirche noch immer grossen Einfluss. Zum Beispiel beim Thema Abtreibung oder Verhütung. Die Kirche ist einfach ein grosser Teil des gesellschaftlichen Denkens.
WALO MECHA: Es gibt zum Beispiel auch staatliche Schulen für die Unterschicht, die so gut wie alle von der katholischen Kirche betrieben werden. Der Hass auf das Christentum rührt also weniger von unseren Familien her, als vielmehr daher, dass die Kirche sich in alle Bereiche des täglichen Lebens drängt.
PELOS EN LLAMAS: Wir lachen uns gerne über Mönche und Nonnen kaputt, weil ihnen ansonsten so viel Respekt entgegen gebracht wird. Wir haben da aber keinen Bock drauf.
LLAMARADA HOMERO: Wir weichen etwas von der vorgeschriebenen Moral ab. Wir üben aber auch keine formale oder intellektuelle Kritik. Wir verarschen einfach diese Idioten und lachen uns über die Dummheit der Menschen tot.
WALO MECHA: Die katholische Kirche und Opus Dei haben in Chile auch eine enorme ökonomische Macht, welche auf die Zeit der Diktatur zurück geht. Das liegt daran, dass während der Diktatur alle linken Mönche und Nonnen umgebracht wurden. Das stört mich eigentlich nicht wirklich... Aber die Kirche behauptet, dass es irgendwo ein übermenschliches Wesen gibt, welches uns beherrscht. Wir hingegen glauben daran, dass der Mensch der eigene Herr über sein Leben ist.

Habt ihr mit der Band eigentlich schon ausserhalb Santiagos gespielt? Ist es nicht stink langweilig immer mit den selben Bands in der selben Stadt zu spielen?

PELOS EN LLAMAS: Oh, wir haben schon in zahlreichen anderen Städten gespielt. Zuletzt nicht so viel... aber Valparaíso, Vina del Mar, Los Andes, Chillan und Concepción steht immer auf unserer Liste. Aber generell wollen wir tatsächlich so viel unterwegs sein, wie möglich.
LLAMARADA HOMERO: Aber es stimmt auch, dass es ganz schön langweilig ist, immer mit den selben Bands zu spielen. Wenn wir Konzerte organisieren, dann versuchen wir auch immer mit verschiedensten Bands zu spielen. Ausser mit TAM, denn dort spielen auch zwei Jungs von PIROMANOS. Deswegen ist es sowas wie eine Bruderband und wir treten häufig zusammen auf.
PELOS EN LLAMAS: Klar ist es langweilig immer mit den gleichen Bands zu spielen. Deswegen ist es für uns auch das grösste irgendwohin zu fahren und ausserhalb Santiagos zu spielen. Dabei verlieren wir aber immer Geld, denn die Tickets können nicht von den Veranstaltern bezahlt werden. Trotzdem reisen wir immer, wenn es uns möglich ist. Einfach, weil es uns Spass macht.
WALO MECHA: Und da die PIROMANOS nicht Teil einer bestimmten Szene sind, ergibt es sich, dass wir auch immer auf Konzerten verschiedener Szenen spielen.
LLAMARADA HOMERO: Ja, wir spielen wirklich mit Bands unterschiedlichster Stile zusammen: Gaypop, Electro, Stoner, Punk, Hardcore, Rock, HipHop, Reggae, Alternative, Indie, Anarchopunk, Straight Edge, Machocore, Grindcore, Crust, Metal, etc.

Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus?

LLAMARADA HOMERO: Jetzt, wo wir endlich unsere CDs in Händen halten, versuchen wir die Scheibe gut zu vertreiben.
PABLO CERILLOS: Ja, wir bauen stark auf unsere CD und hoffen, dass sie uns irgendwie nach Europa bringen wird, hahaha. Wenn wir eine Tour in Europa spielen könnten, dann lasse ich alles stehen und liegen: die Familie, den Job...
PELOS EN LLAMAS: Irgendwann würden wir auch gerne Vinyl produzieren.
LLAMARADA HOMERO: Und natürlich wollen wir noch mehr spielen. In Santiago und in ganz Chile! Und vielleicht schaffen wir es auch noch irgendwann in Argentinien zu spielen.
WALO MECHA: Ausserdem haben wir eine Vielzahl an neuen Stücken. Die wollen wir möglichst bald aufnehmen und eine Split-Veröffentlichung machen.
DR. BLASS: Es wäre schön mit der Band weiter zu machen und alles selbstbestimmt zu regeln, ohne dabei ständig Geld zu verlieren.

Kommentare?

WALO MECHA: Wir würden gerne Europa kennen lernen, hahaha!
PELOS EN LLAMAS: Zunächst mal... vielen Dank für dein Vertrauen und deine Hilfe.
PABLO CERILLOS: Ja, das Problem mit Roberto hat dazu geführt, dass wir viel Zuspruch gefunden haben. Viele Leute vertrauen uns und haben uns mit der CD geholfen. Mit dem Design, unserer Myspace Seite, den Zeichnungen, etc.
LLAMARADA HOMERO: Das hilft uns wirklich dabei mit der Band weiter zu machen. Ausserdem hat es uns gezeigt dass es immer noch das beste ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
WALO MECHA: Und noch mal Grüsse an all die Leute, die uns mögen, weil wir so sind, wie wir sind. Wir sind nicht arrogant oder überheblich. Deswegen möchte ich mich hiermit bei all den Leuten bedanken, die uns helfen und begleiten. Applaus!!!

KONTAKT:
www.myspace.com/piromanosdelritmo
www.fotolog.com/piromanosoy
ladifusadistri@yahoo.es