PIROMANOS
DEL RITMO (Chile)
Es
hat ja ewig gedauert bis euer erstes Album erschienen ist.
Erzählt mal, was da genau vorgefallen ist.
PABLO
CERILLOS:
Nun gut, man hat uns zunächst einen wirklich guten Vorschlag
gemacht. Wir konnten unser Album in einem guten Studio gratis
aufnehmen. Und aufgrund dieser Abmachung glaubten wir an eine
vertrauensvolle Beziehung.
LLAMARADA
HOMERO: Wir hatten einfach treuherziges und blindes Vertrauen.
WALO
MECHA: Ausserdem kannten wir ihn auch schon lange. Zumindest wussten
wir, wer er ist.
PELOS
EN LLAMAS:
Er war oder ist eine Person, die in dieser ganzen Musikszene bekannt
ist. Ausserdem spielte er seit Jahren in einer Band und hat anderen
Bands bei ihren Aufnahmen geholfen.
WALO
MECHA:
Zudem war er seit Jahren ein Freund unseres alten Sängers Igo
Fuego Latino. Die Verbindung zu Roberto wurde von all unseren Freunden,
die ihn kannten gut geheissen. Alle waren begeistert, dass er mit uns
aufnehmen würde.
LLAMARADA
HOMERO: Und er hat uns ja schliesslich auch angesprochen und uns
angeboten eine CD aufzunehmen.
WALO
MECHA: Der
ursprüngliche Plan sah folgendermassen aus: Er würde
mit uns
die CD aufnehmen und die Produktion der CD in Gang bringen. Er hat
nämlich auch die entsprechenden Kontakte zu einem Presswerk.
Wir
sollten die Hälfte der Kosten übernehmen.
PELOS
EN LLAMAS:
Also haben wir ihm das Geld gegeben und er hat gesagt, er habe die
Master CD ans Presswerk weitergeleitet. Die Telefonnummer des
Presswerks hat er uns genau an dem Tag gegeben, als er für
eine
dreimonatige Tour mit seiner Band GRIZ nach Europa aufgebrochen ist.
Wir haben dann mal im Presswerk angerufen, um zu erfahren, wann denn
die CDs soweit seien. Die haben gesagt, dass nie eine Master-CD
angekommen sei. Von PIROMANOS DEL RITMO hatten die noch nie etwas
gehört. Das einzige was sie mit Robertos Namen anfangen
konnten,
war die neue GRIZ CD.
WALO
MECHA:
Dannach haben wir überhaupt nichts mehr von Roberto oder von
den
CDs gehört. Vom Geld natürlich auch nicht. Allerdings
haben
wir dann heraus gefunden, dass es noch andere Leute gibt, denen er Geld
schuldet.
LLAMARADA
HOMERO: Irgendwann hat er dann eine E-mail geschrieben und behauptet,
dass seine Freundin das Geld habe und sich um alles kümmern
würde, während er auf Tour sei. Ich habe sie dann
angerufen
und total genervt. Aber sie wusste von überhaupt nichts,
Roberto
hatte ihr gar nichts gesagt oder erzählt. Da hatten wir dann
die
Ahnung, dass unsere CD wohl nie erscheinen wird.
PELOS
EN LLAMAS: Heute zeigt er sich wohl reumütig... in
Anführungszeichen: “reumütig”...
LLAMARADA
HOMERO: Bevor das alles lief, kam ja auch noch Ingo in Chile vorbei und
schlug vor uns bei der Produktion der CD mit ein bisschen Geld zu
unterstützen. Die Kohle haben wir natürlich auch
Roberto
gegeben.
PELOS
EN LLAMAS: Und prompt sah er sich in einem Betrugsfall verwickelt,
hahaha.
LLAMARADA
HOMERO: der kleine Betrug.
WALO
MECHA: der kleine Großbetrug.
LLAMARADA
HOMERO: Dank der Hilfe von Ingo haben wir es dann Monate
später geschafft die CD zu veröffentlichen.
WALO
MECHA: durch die wertvolle Hilfe von Ingo
PABLO
CERILLOS: den tollsten Deutschen, den es gibt, haha.
DR.
BLAS: Wir sind wirklich sehr dankbar.
PELOS
EN LLAMAS: Deswegen hat die Veröffentlichung fast ein Jahr
gedauert.
DR.
BLASS: Aufgenommen haben wir schon im Dezember 2005.
WALO
MECHA: Deswegen sind auf der CD auch Songs, die wir mittlerweile gar
nicht mehr spielen.
LLAMARADA
HOMERO: Das sind aber nur zwei Songs.
WALO
MECHA: “Paco bueno, paco muerto” und
“Callado”
Ihr
wurde also von Roberto ganz schön übers Ohr gehauen.
Hat sich
eure Sichtweise von “Freundschaft” dadurch
verändert?
Wem vertraut ihr überhaupt noch? Und wie würdet ihr
Freundschaft, bzw. Vertrauen definieren?
WALO
MECHA: Stimmt schon, wir sind wirklich nach dieser ganzen Geschichte,
die uns Roberto angetan hat, etwas desillusioniert.
PABLO
CERILLOS: Wir glauben niemandem!
PELOS
EN LLAMAS:
Ich glaube, dass wir, sobald es um Geld geht, einfach nicht mehr so
viel Vertrauen haben. Innerhalb der Band, sind wir dafür
engere
Freunde geworden. Freundschaft bedeutet uns schon sehr viel. Und aber
wir werden dem nächsten Kerl, der uns anbietet eine
CD mit
uns zu veröffentlichen, bestimmt nicht diese Art von
Freundschaft
entgegen bringen. Es wird wahrscheinlich immer eine gewisse Form von
Misstrauen geben, sobald es um’s Geld geht.
LLAMARADA
HOMERO: Unser Fehler war es, so zu sein, wie wir eben sind. Wir haben
Roberto einfach als Freund gesehen, der uns aus Freundschaft einen
Gefallen tut. Das kann man nun wirklich völlig ausschliessen.
Und
so haben wir erkannt, dass dich wirklich jede Person bescheissen kann.
PELOS
EN LLAMAS:
Wenn es um’s Geld geht, dann ist eben ziemlich schnell
Schluss
mit Freundschaft und “Friede Freude Eierkuchen”.
WALO
MECHA:
Trotzdem glaube ich, dass wir und unsere wirklichen Freunde nicht mehr
vertrauen. Es gibt einfach einen Unterschied zwischen echten Freunden
und irgend so einem Wichser, der dir das Blaue vom Himmel verspricht.
Es gibt innerhalb der Band keine Person, der ich nicht voll vertraue.
LLAMARADA
HOMERO: Ganz abgesehen davon, hat uns diese ganze Geschichte gezeigt
und geholfen zu erkennen, dass wir nicht nur unseren eigenen
Scheiß gebacken bekommen, sondern, dass es auch noch viel
besser
ist sich selbst um alles zu kümmern. Wir haben jetzt die
richtigen
Kontakte zum Presswerk, etc. Letztendlich ist alles sogar viel besser
gelaufen als gedacht. Ursprünglich wollten wir ja nur 500 CDs
pressen lassen. Nun haben wir allerdings eine Auflage von 1000 CDs
bekommen. Und das zum fast identischen Preis.
PELOS
EN LLAMAS:
Trotzdem muss man sagen, dass wir alle dadurch sehr misstrauisch
geworden sind. Zumindest bei allem, wo es um Geld oder
Geschäfte
geht.
LLAMARADA
HOMERO: Deswegen, werde ich jedem misstrauen, der uns angeblich ohne
Eigeninteresse weiterhelfen möchte, oder in unseren Projekten
intervenieren möchte. WALO
MECHA: Ab jetzt machen wir eben wirklich alles selber. Wir vertreiben
die CD, wir besorgen das Geld, wir kontaktieren die Vertriebe und
Labels. Und es geht ja nicht nur um das Geld, welches wir verloren
haben. Es gibt ja immer zwei Seiten der Medallie. Und so haben wir ja
auch mit Ingo ein viel bessere Verhältnis. Er hat - fast ohne
uns
zu kennen - Vertrauen in unser Projekt und hat uns wirklich aus der
Patsche geholfen. Wir haben einen Anteil der CDs gratis
bekommen.Für den Rest der CDs haben wir dann auch nur einen
unglaublich günstigen Preis bezahlt. Diese Geschichte mit
Roberto
ist nun einfach vorbei. Sowas kann einem leider in jedem Moment des
Lebens passieren.
PELOS
EN LLAMAS: Von unserer Seite war es einfach ein Vertrauensexzess, haha
WALO
MECHA: Zum
Glück waren wir nicht die einzigen, die von ihm beschissen
worden
sind. Man muss neidlos anerkennen, dass er einfach die Kunst des Redens
versteht. Der Wichser weiss wirklich, wie man Leute überzeugen
kann. So hat er auch die C.F.A. (eines der ersten chilenischen
Punk-Labels) betrogen, die ja schon seit ewigen Zeiten CDs produzieren.
Kommen
wir doch mal auf die Beziehungen innerhalb der Band zu sprechen. Seid
ihr gute Freunde, oder trefft ihr euch nur zu den Proben und
Auftritten? Wo habt ihr euch überhaupt kennen gelernt?
WALO
MECHA: Wir sind richtig dicke Freunde. Wir hängen
ständig zusammen rum.
PELOS
EN LLAMAS:
Wir treffen uns nicht nur zum Proben. Wir treffen uns oft abends, um
Drogen zu kaufen, zu labern, Filme zu glotzen oder uns zu besaufen...
LLAMARADA
HOMERO: Ich glaube wir treffen uns häufiger, um Scheisse zu
bauen,
als zum Proben. Wir proben wirklich super selten. Aber wir kommen
trotzdem mindestens zweimal die Woche zusammen. Um zu kiffen, Musik zu
hören und Bier zu trinken...Man muss dazu auch sagen, dass wir
früher ein paar Bandmitglieder hatten, die sich dem Rythmus
der
PIROMANOS nicht anpassen konnten. Wir proben wenig, wir sind nicht so
ernsthaft und vor allem nicht professionell. Da muss man sich wirklich
genau so sein wie wir, um das auszuhalten.
WALO
MECHA: Im
großen und ganzen steht die Band aber nun. Nur Igor ist jetzt
weg. Er hat die CD mit uns aufgenommen, um sich dannach völlig
dem
HipHop zu verschreiben. Aber wir treffen ihn ständig und haben
noch immer ein tolles Verhältnis zu ihm. Und falls er eines
Tages
zurück kommen möchte, ist er immer willkommen. Das
ist das
selbe Phänomen wie bei Pablo Cerillos und Blas TNT. Pablo hat
uns
mal für ein paar Monate verlassen, weil ihm die
ständigen
Konzerte auf den Keks gegangen sind. Wir haben damals wirklich viel
gespielt. Naja, später ist er eben wieder zur Band gekommen.
Und
jetzt ist er wieder dabei! Das selbe gilt für Blas, der
früher immer nur auf so einer freiwillgen Basis dabei war.
Jetzt
hat er einfach den Job von Igo Fuego Latino übernommen.
LLAMARADA
HOMERO: Ich glaube Freundschaft ist wirklich der einzige Faktor, der
die Band zusammen hält. Wir sind einfach eine Clique, hahaha
PELOS
EN LLAMAS:
An dem Tag, an dem wir keinen Bock mehr haben zusammen
rumzuhängen, an dem Tag wird die Band aufgelöst.
Für
keinen von uns, ist das hier eine Art von Arbeit, ein Auftrag oder
sowas...
WALO
MECHA: Auch
mit den ehemaligen Mitgliedern der Band haben wir noch eine wirklich
coole Beziehung. Wir hatten zwar alle mal ein wenig die Krise, zum
Beispiel mit Cris Dinamita.. aber sowas ist normal. Auch unter
Freunden. Gestern zum Beispiel hingen wir auch gemeinsam ab. Wir haben
einfach nur Bier getrunken... geendet hat es damit, dass sich Pelo en
Llamas und Blas die Kante mit Pisco gegeben haben. Mit Llamarada Homero
trifft man sich einfach, um einen Joint zu rauchen, ein wenig zu
palavern und Musik zu hören. Wir haben einfach gemeinsame
Interessen. Wir hören zwar nicht die gleiche Musik, aber wir
haben
gemeinsame Interessen: Kino, Drogen, etc.
PABLO
CERILLOS: Vor allem Drogen!
WALO
MECHA: Tja,
wie wir uns kennen gelernt haben. Ich habe früher
mit
Llamarada Homero und Pablo Cerillos in einer Band namens DESECHABLES
gespielt.
PABLO
CERILLOS: Ich habe euch an der Uni kennen gelernt.
DR.
BLASS: Llamarda kenne ich über Raul von Sin Apoyo. Tja, man
kennt sich einfach von Konzerten und durch Punk!
WALO
MECHA:
Naja, PIROMANOS DEL RITMO entspringt einfach dem Kollektiv A.M.W.
(Ausgebeutete, Marginalisierte, Wütende). Daher kennen wir
uns.
DR.
BLASS: Klar, daher kommen PIROMANOS DEL RITMO?
PABLO
CERILLOS: Was war denn A.M.W.??
LLAMARADA
HOMERO: Naja, die Leute, die sich zusammengefunden haben, um Steine auf
die Bullen zu werfen...
WALO
MECHA: Daher kennen wir uns.
PELOS
EN LLAMAS: Deswegen sind auch unsere Texte so zerstörerisch.
Uns macht es wirklich Spass Sachen zu verbrennen.
Es
scheint so, als ob ihr eine politische Band seid? Stimmt’s
oder
nicht? Nehmt ihr also auch an Demonstrationen und Aktionen teil?
WALO
MECHA: Ich glaube zu Beginn der Band waren wir alle noch etwas aktiver.
LLAMARADA
HOMERO: Ja, das stimmt, aber die Band bleibt trotzdem politisch!
PELOS
EN LLAMAS: Wir transportieren immer noch unsere Ideen und unsere
Kritik.
LLAMARADA
HOMERO: Kann schon sein, dass wir den Diskurs gar nicht so in die
Praxis umsetzen, aber in unseren Texten spiegelt sich dafür
unser
politischer Standpunkt.
WALO
MECHA: Wir
sind einfach nicht mehr so wie früher, als wir wirklich oft zu
Demonstrationen und Aktionen gegangen sind. Meiner Ansicht nach sind
diese Demonstrationen sehr an die Funktionalität des Systems
gebunden. Es ist eigentlich immer das gleiche... Ich möchte
eben
alles etwas anders machen. Ich möchte meinen Hass in anderen
Formen zum Ausdruck bringen.
LLAMARADA
HOMERO: Manchmal hängt man sich einfach zu sehr in
irgendwelche
Dinge rein. Wenn dann aber nichts passiert, oder alles immer beim
gleichen bleibt, dann langweilt man sich schnell. Ausserdem erkennt man
dann irgendwann, dass sich auch in deiner eigenen Umgebung, die totale
Scheisse abspielt.
PELOS
EN LLAMAS:
Auch wenn es wie ein Klischee klingt, aber wir manifestieren unsere Art
zu denken in unserer Musik. Wenn wir keinen Krach machen
würden,
dann müssten wir uns andere Ausdrucksformen suchen.
WALO
MECHA: Das
komische an unserer Band ist, dass PIROMANOS DEL RITMO auf jeden Fall
eine politische Band ist, dass wir aber nicht mit eindeutiger
Sicherheit sagen können, für welchen politischen
Standpunkt
wir stehen. Ob wir nun Anarchisten, Kommunisten oder Nihilisten sind...
keine Ahnung. Sicher ist, dass die Band PIROMANOS DEL RITMO einen
unglaublichen Hass auf das System und das Kapital hat. Dazu kommt dann
noch dieser tagtägliche Hass, den wir in unserem
täglichen
Leben produzieren.
LLAMARA
HOMERO: Trotzdem haben sich die Texte seit dem Beginn der Band
gewandelt.
WALO
MECHA: Aber
diese Wandel stimmt einfach mit unserer Lebenserfahrung
überein.
Jetzt sind die Texte einfach methaphorischer, statt die ganze Zeit nach
Krawall und Aufstand zu rufen. Diese Veränderung hat uns
hinbewegt
zu Themen, die wir alle mögen: Horror, das Absurde und Bizarre.
DR.
BLASS: Klar,
man kann ja auch nicht immer nur singen, dass man alles verbrennen,
Mollies werfen und alles kaputt hauen möchte! Das war dann
eben
auch so eine Sache, die immer das selbe sein würde.
WALO
MECHA: Ja,
einmal wurden im Fernsehen Bilder gezeigt, von einer Demonstration, an
der wir uns beteiligt haben. Da wurden zunächst Bilder von den
Ausschreitungen gezeigt. Dann sah man aber auch einen Bullen, der da
rumtänzelte, während wir am protestieren waren. Der
Bulle hat
sich wirklich totgelacht und hatte richtig seinen Spass an der
Demonstration. Da kam es mir so vor, als ob die Polizei, die ganze
Sache als ein Spiel betrachten. Die Unterdrückung von
Demonstrationen, gehört bei denen einfach dazu. PELOS EN
LLAMAS: Jeder, ob Polizist oder Demonstrant macht seinen Job und
dannach geht man eben nach Hause ins Bett.
WALO
MECHA: Und
die Demonstraten fühlen sich total rebellisch, weil sie eben
auf
einer Demonstration waren. Jeder hat seine Pflicht erfüllt!
Ich
meine ja nicht, dass alle so handeln. Aber es gibt einfach einen
großen Anteil an Leuten, die so denken und handeln.
PELOS
EN LLAMAS: Natürlich bedeutet das nicht, dass wir gegen
Proteste und Demonstrationen sind.
WALO
MECHA: Gewalttätige Ausschreitungen machen uns nach wie vor
Spass...
PELOS
EN LLAMAS:
Ich glaube, dass heute viele Leute von PIROMANOS DEL RITMO vor allem
wegen unserem früheren Engagement, ein ganz eigenes Bild
haben...
WALO
MECHA: Ja,
ich glaube auch, dass diese Vorstellung von
“gefährlichen
Typen” der Band anhaftet. Wir sind ja auch immer vermummt
aufgetreten. Heute ist das etwas anders, weil wir auch zunehmend
transsexuelle und bizarre Elemente in unsere Show einbauen. Wir spielen
dann schon mal mit Masken und Gummi-Brüsten...
PELOS
EN LLAMAS:
Wir lachen uns dabei über uns selbst kaputt. Und wir machen
uns
auch gerne lächerlich mit unseren Verkleidungen und Masken.
Wir
wollen nicht mehr wie die vermummten Helden daher kommen, sondern wie
durchgeknallte Idioten, die ihren Spass haben.
WALO
MECHA: Ich
glaube, dass kommt beim Publikum auch ganz gut an. Am Anfang sind wir
immer vermummt zu den Konzerten gekommen... dann sind wir gemeinsam
aufgetreten und haben den Eindruck erweckt, wir würden gerade
zu
irgend einer Strassenschlägerei aufbrechen. Dazu haben wir
dann
Slogans gebrüllt und Pamphlete verteilt. Eine Show machen wir
zwar
heute auch noch, aber jetzt ist da eben der Aspekt des Horror dazu
gekommen. Wir wollen einfach ausdrücken: Das Leben ist
Scheisse,
und wir sind Teil des Lebens, also auch ein Teil der Scheisse. Wir sind
keine Helden, keine Richter und keine Erlöser, oder sonst
irgendwas...
Könnt
ihr trotzdem eure politische Attitüde beschreiben?
WALO
MECHA: Ich
glaube wir sind eine Ansammlung von linksradikalen Strömungen.
Und
wir sind gegen das kapitalistische System.
PABLO
CERILLOS: Wir haben nichts mit der Rechten zu tun... Gott
würde mich sonst bestrafen, hahaha
LLAMARADA
HOMERO: Tja, wir sind im Moment gar nicht so aktiv mit der Band, weil
wir einfach sehr stark mit anderen Sachen beschäftigt sind -
allerdings nicht mit ständigen Revolten...haha... wenn man
unseren
Namen liest oder unsere Demo-CD hört, dann bekommt man ja den
Eindruck...
WALO
MECHA:
Damals, als wir dieses Demo veröffentlicht haben, waren wir
wirklich permanent dabei Mollies zu werfen und vermummt herum zu
laufen. Jetzt nicht mehr so. Wenn sich bei einer Demonstration
allerdings die Gelegenheit bietet eine Bank zu smashen oder einen
Bullen zusammen zu hauen, dann machen wir das auch...
PABLO
CERILLOS:
Oder wenn mir jemanden sehen, der so etwas tut, dann schauen wir uns
das mit Freude an! Wir sind Symphatisanten.
PELOS
EN LLAMAS: Und eingeknastet werden wir dann alle!
DR.
BLAS: Genau!
Eure
Texte haben
ja mit den typischen Song von Anarchopunk Bands nicht so viel
gemeinsam. Wie ist denn euer Verhältnis zu anderen Punk oder
Anarchopunk Bands. Wie seht ihr die Anarchopunk Szene insgesamt?
PABLO
CERILLOS:
Zunächst einmal muss ich sagen, dass wir uns nicht als
Anarchopunk
Band fühlen. Und wie wir die Anarchopunk Szene sehen?? Naja,
ziemlich viele Aufnäher... hahaha.
PELOS
EN LLAMAS:
Nein, wir sehen uns wirklich nicht als Teil dieser Szene, auch wenn wir
überhaupt nichts gegen diese Bewegung haben. Wir
fühlen uns
zwar nicht als Teil dieser Szene, sind aber dennoch permanent von
Leuten aus dieser Richtung umgeben. Denn wir gehen auf die selben
Konzere, hören die selbe Musik, haben gemeinsame Interessen,
etc.
Es gibt also eine starke Verbindung und Symphatie, aber wir verstehen
uns nicht als Teil dieser Bewegung.
LLAMARADA
HOMERO: Weil wir auch gar nicht so ernst und konsequent sind.
WALO
MECHA: Ja und weil wir eben Punk und ein bisschen älter sind.
PABLO
CERILLOS: Wir sind Punks vom Gefühl her.
WALO
MECHA: Die
Optik des Punk ist bei uns nicht mehr das wichtigste. Blas TNT sieht
zum Beispiel eher aus wie so ein Heavy Metal Typ, hahaha.
LLAMARADA
HOMERO: Aber wir haben ganz gute Kontakte zu andern Bands.
Natürlich nicht mit jedem... aber es gibt hier ja auch so
viele
Bands, dass man gar nicht alle kennen kann. Naja, trotzdem passiert es
eben auch in dieser kleinen Szene, dass es viel Streit und Missgunst
gibt. Ausserdem sagt man sich hier die Probleme nie auf den Kopf zu.
Trotzdem können wir behaupten, dass wir mit vielen Leuten ein
gutes Verhältnis haben. Aber vielleicht sehen das genau diese
Leute ja auch anders. Das ist wirklich ein Problem, dass keiner sagt,
was ihn stört. Das ist vor allem einigen “politisch
korrekten” Bands zum Verhängnis geworden.
WALO
MECHA: Aber
PIROMANOS ist eben keine Band, die sich als “politisch
korrekt” empfindet. Manchen Leuten passt das nicht, aber
etwas
dagegen sagen tun sie letztlich auch nicht. Was dann letztlich dabei
heraus kommt sind diese anonymen Beschuldigungen... aber daran
stören wir uns nicht wirklich.
PELOS
EN LLAMAS: Bislang gab es auch wirklich keine ernsten Probleme. Viele
Leute finden unsere Einstellung in Ordnung.
WALO
MECHA: Es
ist ja auch nicht so, dass wir totale Assis sind. Immer, wenn wir
gefragt werden, ob wir nicht bei irgendwelchen Aktivitäten
helfen
wollen, dann tun wir das auch. Wir unterstützen eine Vielzahl
an
sozialen Projekten, in dem wir auf Benefizkonzerten spielen oder
einfach so Hand anlegen.
PABLO
CERILLOS:
Abgesehen davon sind wir auch musikalisch nicht so
eingeschränkt.
Wir haben viele Freunde, die einen total anderen Musikstil spielen.
WALO
MECHA:
Deswegen sind die PIROMANOS auch in keiner Musikszene so richtig
definiert. Wir spielen zusammen mit Rockern, Punks, Hardcore und SXE,
Anarchopunks, HipHop, Metalheads, Cumbia, Pachange, Trash und
Grindcore... usw.
Ich
glaube das
liegt auch daran, dass wir schon immer auf verschiedenste Konzerte
gehen und daher total verschiedene Leute aus diversen Szenen kennen.
Zum Beispiel kenne ich da so einen Typen, der hat 1994 Punk gespielt.
Jetzt macht er Rock’n’Roll. Und trotzdem ist es
einfach ein
Freund, obwohl er mit seiner Band keine politischen Songs mehr singt.
Natürlich sind das dann auch keine Nazis. Mit irgendwelchen
Naziarschlöchern würden wir natürlich nie
zusammen
spielen.
PELOS
EN LLAMAS:
Um noch mal schnell auf die Bewegung des Anarchopunk zu sprechen zu
kommen. Letztlich geschieht in der dieser Szene genau das gleiche, wie
in allen Musik-Szenen. Irgendwann geht es los mit dieser
Gehässigkeit und den Ego-Kriegen. Und dann wird alles zu einer
kleinen Komödie.
LLAMARADA
HOMERO: Tatsächlich haben wir festgestellt, dass es zu dieser
Entwicklungg kam, und daran wollten wir uns einfach nicht beteiligen.
WALO
MECHA:
Manchmal sind auch diese Anarchopunks die totalen Fetischisten. Dann
wollen sie unbedingt das neuste T-Shirt oder die neuste CD, der
anarchopunkigsten Band der Welt haben. Und dann ziehen sie wieder den
Schwanz ein, vor dem, der konsequenter und politischer ist, als sie.
Noch anarchistischer, noch punkiger... Naja, aber das gibt es wie
gesagt in jeder Szene. Wer ist der coolste Rocker, der
größte HipHoper, etc...
PELOS
EN LLAMAS:
Wir glauben auch einfach nicht daran, dass es ausgerechnet die
Anarchopunk Szene sein wird, welche die Erde befreien wird. Der einzige
Unterschied zu anderen Stilrichtungen ist eben, dass die Beteiligten
mehr Bewusstsein für die Gesellschaft und die Klassen haben.
Das
ist natürlich nicht schlecht!
Mir
erscheint eure Band, als eine Mischung aus Anarchisten und Nihilsiten.
Glaubt ihr, dass Anarchismus etwas für die jungen Idealisten
und
Nihilismus etwas für die alten Verzweifelten ist?
WALO
MECHA: Ja und nein, da ist schon etwas dran.
PABLO
CERILLOS: Hm, vielleicht sind wir, vor allem wegen unsere
Anfänge doch eher Anarcho.
LLAMARADA
HOMERO: Man verändert sich ständig. Man erleidet
schlimme
Desillusionen, niemand ist zudem 100% konsequent, und der Zweifel und
Widerspruch ist etwas, was in wirklich allen Menschen besteht. Wir sind
ja auch nur menschliche Wesen, wir alle irren uns ständig in
irgendetwas. Darum sind wir ja auch eine Scheiss-Spezies.
PELOS
EN LLAMAS: Aber ich glaube, dass wir einen Nihilismus praktizieren, der
nicht frustriert ist.
LLAMARADA
HOMERO: Aktiver Nihilismus!
PELOS
EN LLAMAS:
Wir wissen zwar, dass wir die Welt nicht verändern werden, und
dass es für unsere Leben und für diese Welt bergab
geht, aber
trotzdem möchten wir etwas tun. Wir werden nicht mit
verschränkten Armen dastehen, während um uns herum
alles
zusammen bricht.
DR.
BLASS: Genau!
WALO
MECHA: Oder
wir verlassen, die Welt, bevor sie vollständig in der Scheisse
untergeht. Trotzdem würde ich die Band nicht als anarchistisch
sehen. Natürlich waren unsere Texte zunächst vom
Situationismus und auch vom Anarchismus geprägt. Aber
darüber
hinaus haben wir auch andere Themen und Formen etwas
auszudürcken.
PELOS
EN LLAMAS:
Ich glaube, dass man sagen kann, dass der Anarchismus ist eine Art
Diskurs ist, der eben nur Anarchisten zu Wort kommen lässt.
Ich
glaube wir führen eine andere Art von Diskurs, in welchem
jeder
das einbringen kann, was er denkt. Und natürlich sind dabei
dann
auch Dinge, die dem Anarchismus ähneln. Wir würden
uns aber
nicht als Anarchisten deklarieren oder unser Denken unter den Begriff
Anarchismus zusammen fassen.
WALO
MECHA: Es
stimmt irgendwie, dass der Anarchismus etwas für idealistische
Jugendliche ist. Aber nicht alle Anarchisten sind so. Und die
Nihilisten sind bestimmt nicht alle alt und frustriert. Es gibt einfach
vielerlei Färbungen.
LLAMARADA
HOMERO: Wir sind eine Mischung aus beidem. Nihilismus und Anarchismus.
Darüber hinaus sind wir weder alt noch jung.
PELOS
EN LLAMAS: Wir sind jünger als alt.
WALO
MECHA: Wir sind zwischen den jugendlichen Idealisten und den alten
Frustrierten. Wir sind frustrierte Idealisten, hahaha.
In
euren Texten stellt ihr euch sehr zerstörerisch dar. Alles nur
Show, oder seit ihr wirklich Krawalltouristen?
Alle:
aaaaahhh... (Lachen)
PABLO
CERILLOS: Willst du jetzt Videobeweise oder Zeitungsartikel?
WALO
MECHA: Wir
werden bestimmt nicht den Schwanz einziehen und jetzt darüber
debattieren, ob wir mit unserer Einstellung konsequent sind oder nicht.
Die Konsequenz kann dich überall hinbringen. Und oft bringt
sie
dich überhaupt nirgends hin. Ist es zum Beispiel inkonsequent,
wenn man sich Antikapitalist nennt und dann trotzdem mit dem Bus oder
der Metro fährt? Immerhin bezahlt man damit
“menschliche
Arbeitskraft”.
PABLO
CERILLOS: Ach, wer ist denn schon wirklich konsequent?
DR.
BLASS: Niemand
WALO
MECHA:
Genau, denn letztlich ist man immer dazu gezwungen irgendetwas zu
kaufen, was letztlich auf der Basis von Ausbeutung produziert wurde.
Ich glaube man sollte die Debatte über Konsequenz nicht zu
sehr
beachten, sonst platzt einem noch der Kopf.
LLAMARADA
HOMERO: Es geht einfach darum zu sich und seinen Gefühlen
ehrlich und konsequent zu sein.
PABLO
CERILLOS: Und dabei darfst du nie vergessen, dass du niemals 100%
konsequent sein wirst.
WALO
MECHA: Aber
zur Frage. Manchmal sind wir eben so, wie wir uns in den Texten
darstellen. Wir errichten Barrikaden und zünden Bullen an...
okay,
das war nur einmal, hahaha.
DR.
BLASS: Nur einmal... und jetzt sind wir reumütig, hahaha.
PELOS
EN LLAMAS:
Uns gefällt die Zerstörung. Banken in die Luft
sprengen, Mc
Donalds anzünden, Autos und Bullenkarren verbrennen.
Gefällt
uns alles!
LLAMARADA
HOMERO: Ich sehe diese Strassenschlachten aber etwas anders als
früher. Barrikaden zu bauen und sich Gefechte mit der Polizei
zu
liefern kann ja nicht alles gewesen sein. Das ist nicht die
Lösung
für die Probleme. Aber man muss es mitgemacht haben, um zu
dieser
Erkenntnis zu gelangen.
WALO
MECHA:
Abgesehen davon habe ich oft das Gefühl, dass es viele Leute
gibt,
die auf Randale aus sind, nur um etwas zu zerstören. Aber eine
politische Richtung oder ein politisches Interesse ist dabei selten zu
erkenne. Die hauen eben alles kaputt aus Spass daran. Ich finde das
jetzt auch nicht besonders schlimm, aber ohne einen politischen
Anspruch wird eben alles nur kaputt gemacht und nichts aufgebaut.
PELOS
EN LLAMAS:
Bei den letzten Aufständen der Schüler und Studenten
konnte
man gut sehen, wie sich es zu einer Mode entwickelte hatte auf die
Strasse zu gehen und die Sau rauszulassen. Die Kids haben sich zusammen
gefunden, als würden sie in die Mall gehen oder zusammen
Videospiele zocken. Aber man verabredete sich, um Stein zu werfen...
LLAMARADA
HOMERO: Ich muss auch sagen, dass ich nach einer Zeit das
Gefühl
hatte, dass es immer wieder auf das selbe hinaus läuft. Man
richtet ja noch nicht mal einen richtigen Schaden an. Keiner nimmt
davon Notiz, ob jetzt ein paar Barrikaden errichtet werden oder nicht.
Oft erscheint es mir, als seien diese Aufstände lediglich
symbolisch. Vielleicht im Gedenken an diejenigen, die bereits bei
solchen Aufständen umgekommen sind.
WALO
MECHA: Ja,
im derzeitigen, historischen Moment ist einfach niemand bereit
für
einen richtigen Aufstand. Wir sind ja nicht im Jahr 1973, als hier die
Diktatur begann. Kein Mai 1968 oder die spanische Revolution...
PELOS
EN LLAMAS:
Zudem gibt es auch Kampfgefährten, die irgendwie total
gestört sind und eigentlich nur auf der Suche nach Problemen
und
Gewalt sind. Einmal war einer dieser sogenannten
“Gefährten” auf einem unserer Konzerte. Er
hat einem
kleinen Kidpunk mit einem Messer das Gesicht zerschnitten, nur weil der
ihn in den Pogomob gezogen hat. Da kann ich mich doch wirklich nicht
mehr mit identifizieren. Ich möchte nicht Teil einer Bewegung
sein, die aus solchen Arschlöchern besteht. Es ist immer
wichtig
zu sehen, wer da eigentlich an deiner Seite kämpft.
DR.
BLAS: schlimm, schlimm, schlimm.
WALO
MECHA:
Diese ganzen Revolten sind eine einzige Show, die sich gut verkauft und
die ins System passt. Du kannst dir ja auch in Punk-Shop in der
schicken Mall nen supertollen Anarchopulli kaufen...
PABLO
CERILLOS: Igitt, du meinst diese Scheisspulli, auf denen
“Anarchy” steht...
WALO
MECHA: Tja, letztlich wird auch die Revolte zum Produkt und wird zur
Ware.
Wie
habt ihr den Tod des ehemaligen Diktators Pinochet aufgenommen?
Beschreibt doch bitte die Situation in Chile.
PABLO
CERILLOS: Wir haben uns volllaufen lassen (Lachen)
PELOS
EN LLAMAS:
Ja, die Bevölkerung hat gefeiert. Aber der Alte ist auch
straflos
gestorben - das ist wirklich Scheisse. Diese Feierei war einerseits
super, andererseits auch sehr niederschmetternd. Der alte Scheisser ist
gestorben! Aber wenn man etwas drüber nachdenkt, dann
fällt
einem wieder ein, dass er sehr alt geworden ist,
Multi-Millionär
war, ganz Chile betrogen hat und nie verurteilt wurde. Er kam nie ins
Gefängnis und hat nie für seine Verbrechen bezahlt.
PABLO
CERILLOS:
Das einzige wofür die Jubelfeier taugte, war der Umstand, dass
man
die Symphatisanten von Pinochet so richtig ärgern konnte. Um
sich
ein wenig an den noch lebenden Arschlöchern zu
rächen.
LLAMARADA
HOMERO: Es hat aber auch gezeigt, wieviele Nazis und Faschos es noch in
Chile gibt.
WALO
MECHA:
Natürlich haben wir uns sehr gefreut, denn wir sind ja alle
Kinder
der Diktatur. Alle Bandmitglieder sind während der Diktatur
geboren und haben Bekannte oder Verwandte, die unter der Diktatur
gelitten haben.
DR.
BLASS: All
das, was wir erlebt haben prägt uns bis heute. Wenn deine Mama
dich von der Schule abgeholt hat und du mit ihr nach Hause rennen
musstest, weil mal wieder die Wasserwerfer mit den Leuten
aufgeräumt haben. Das hat alles ein historisches Gewicht,
welches
noch immer auf uns lastet.
WALO
MECHA: Und
er ist wirklich unbestraft gestorben, das Schwein. Weil die scheiss
chilenische Justiz, beziehungsweise jede Art von Justiz immer darauf
Rücksicht nimmt, wer mehr Geld besitzt. Und diejenigen, die
hier
Reich sind, das sind nunmal die Faschos, die Rechte, Opus Dei und diese
ganzen anderen Arschlöcher.
PELOS
EN LLAMAS:
Es ist wirklich krass, wieviele Pinochetisten und Rechte in Chile
leben. Es hat mich wirklich schockiert zu sehen, wieviele Leute heulend
vor dem Krankenhaus standen, als der Greis gestorben ist.
PABLO
CERILLOS: Ein wesentlich überspannterer und
ungestümerer
Fanatismus als bei jedlichen Anarchisten oder Revolutionären!
Mit
Pinochet ist der große Feind der Linken Chiles verstorben.
Was denkt ihr wird sich dadurch in der Linken ändern?
PELOS
EN LLAMAS:
Ich glaube, dass sich in der klassischen Linken und in der
Staatspolitik nichts ändern wird. Aber auch die radikale und
autonome Linke wird sich wohl nicht ändern.
DR.
BLASS: Der Alte ist abgekratzt, aber alles bleibt gleich!
WALO
MECHA: Die
klassische Linke ist hier ja auch eher dem rechten Zentrum zuzuordnen.
Selbst die kommunistische Partei kokettiert mit allen
möglichen
Idioten. Vor kurzem haben sie sogar Verhandlungen mit der UDI (Union
Democrata Independiente, also der Partei dieser ganzen Faschos)
geführt. Es ging um die nationale Erneuerung... Letztlich geht
es
doch allen Politikern nur um ihrer Stimmen. Das ist immer das gleiche.
PELOS
EN LLAMAS:
Der Tod Pinochets ändert ja auch nichts an den
Umständen.
Noch immer gibt es die Verschwundenen, von denen niemand weiss, wo sie
sind. Noch immer werden Leichen gefunden, noch immer gibt es politische
Gefangene. Und die Repression wird jeden Tag noch härter.
LLAMARADA
HOMERO: Nichts hat sich geändert. Gestorben ist nur ein Symbol
der Repression und des Faschismus.
PELOS
EN LLAMAS: Er hat in Chile ja auch den Neoliberalismus hinterlassen.
Und der bleibt bestehen, obwohl der Typ tot ist.
WALO
MECHA: Der
Staat handelt noch immer in der gleichen Weise, wie es Pinochet tat.
Die Mapuche Indianer werden zum Beispiel noch immer verfolgt und
eingesperrt. Oder die politischen Gefangenen. Obwohl sie schon ihre
Strafen abgesessen haben, werden jetzt neue Verfahren aufgerollt. Es
bleibt alles gleich, es ist einfach die gleiche Scheisse, wie bei
Pinochet. Aber jetzt kommt alles “royal deluxe”.
Jetzt
darfst du dir zum Beispiel auch die letzte Scheibe von SIN DIOS in der
Shopping Mall kaufen. Noch immer verschwinden Leute. Und keiner weiss
etwas darüber. Wir wissen bis heute nicht, was mit Juan Pozo
geschehen ist. Einen Typen, den sie gefoltert und gevierteilt haben.
Man hat in einfach in Stücke gerissen und irgendwo liegen
lassen.
Und jetzt weiss natürlich niemand, was da passiert ist. Es
gibt
hier scheissviel Korruption.
LLAMARADA
HOMERO: Die sozialen Spannungen verschärfen sich auch immer
mehr.
Neulich hat sich ein Typ verbrannt, weil er seine Wasserrechnung nicht
bezahlen konnte.
WALO
MECHA: Die
Menschen verzweifeln immer mehr... es ist nicht das erste mal, dass
sich jemand aus Verzweiflung selbst anzündet. Da gibt es
einige
Fälle. Die Situation wird immer schlimmer, weil sich das Land
weiterentwickelt, aber die Armen trotzdem arm bleiben, und
höchsten unsichere Arbeitsstellen haben. Ich glaube wir
sollten
auch mal betonen, dass die Band PIROMANOS DEL RITMO auch nicht aus
Leuten besteht, die viel Geld besitzen. Wir alle arbeiten und
müssen Arbeiten, auch wenn einige Leute uns
argwöhnisch
betrachten, weil einige unserer Mitglieder in privaten
Universitäten studieren. Das sind aber nur
lächerliche
Gerüchte, die von Leuten gestreut werden, die uns nicht
kennen. Wo
wir leben, wo wir studieren, ob wir nun eine bessere Ausbildung haben
oder nicht, ob diese unsere Eltern viel Geld gekostet hat oder nicht...
Alles Gerüchte. Die Wahrheit ist, dass es uns nicht besonders
gut
geht, weil wir natürlich auf Pump studiert haben und nun mit
den
Schulden da sitzten. Bessere Jobs oder eine gute Bezahlung hat uns das
bislang nicht eingebracht. Bis vielleicht auf den Lohn von Pablo
Cerillos, hahaha.
PELOS
EN LLAMAS:
Wenn hier jemand einen guten Job findet, dann ist das wirklich Zufall.
Wir befinden uns mittlerweile alle im Arbeitsleben. Und da heisst es:
wir leben! wir überleben!!
WALO
MECHA: Wir
wollen ja auch gar nicht die dicke Kohle verdienen. Es reicht mir aus,
meine Bedürfnisse zu befriedigen. Etwa Musik machen, oder
ähnliches. Du siehst... man kann sagen, dass wir richtige
Hippies
sind! Und Pelo En Llamas ist der größte Hippie!
Hahaha.
In
wiefern würdet ihr denn die linke Bewegung in Chile
kritisieren. Und wie sieht es mit der politischen Punkszene aus?
PELOS
EN LLAMAS:
Zur Punkszene haben wir uns ja in einer der vorherigen Fragen
geäussert. Es gibt hier einfach zu viel Neid und Missgunst, zu
viele Gerüchte und Konkurrenz. Man spricht nicht offen
über
die Probleme. Und alles ist sehr elitär.
WALO
MECHA:
Ausserdem wird ein ganz eigener Markt erschaffen. Wenn man nicht die
komplette Uniform trägt und die richtigen Bands hört,
dann
ist man einfach nicht Teil der Szene. Dann gilst du als inkonsequent,
blöde oder unwissend.
LLAMARADA
HOMERO: Aber, wie gesagt, dass gibt es so ziemlich in jeder
musikalischen Szene. Und auch in der politischen Szene gibt es immer
eine Art Konkurrenz, wer denn nun der politischste, korrekteste oder
konsequenteste ist.
PELOS
EN LLAMAS:
Was die linke Bewegung anbelangt, so muss man erstmal klarstellen, dass
es eine sehr traditionelle und historische Bewegung in Chile ist. Seit
kurzem wird aber darauf verzichtet die aktuelle Regierung zu
kritisieren. Dieser “demokratische” Diskurs
überdeckt
die Kritik der Linken am Staat.
LLAMARADA
HOMERO: Die meisten von denen leben wirklich in der Vergangenheit. Die
ganze Zeit zitieren sie den geputschten, sozialistischen
Präsidenten Salvador Allende und vergessen völlig,
dass wir
mittlerweile in einer Demokratie leben.
WALO
MECHA: Auch
die radikale Linke, der wir uns eher zugehörig
fühlen, begeht
den selben Fehler bestimmte Leute zu idealisieren. Zum Beispiel die
politischen Gefangenen. Die werden hier total abgefeiert und
idolisiert. Sie werden als Helden und Respektspersonen dargestellt.
Aber das sind nun mal ganz normale Typen. Ich kann das sagen, weil ich
viele von ihnen kenne. Aber sie sind keine Helden, auch wenn sie anders
sind als du und ich.
Ein
weiteres,
zentrales Problem der Linken ist es, dass es ständig Streit
innerhalb der Gruppen gibt. Es wird wirklich viel diskutiert und
gestritten. Und zwar über irgendwelche Nichtigkeiten,
über
die man eigentlich nicht ewig verhandeln müsste.
Das
kommt auch
daher, dass einige Gruppen sich vor allem auf die Theorien
konzentrieren, und andere Gruppen ihre Priorität auf die
Praxis
legen. Deswegen gibt es ständig Diskussionen zwischen diesen
beiden Ansätzen.
LLAMARADA
HOMERO: Der Anarchopunk oder auch andere politische Bewegungen
propagieren den sozialen Wandel und tragen “eine neue Welt in
ihren Herzen”. Aber sie kommen nie aus ihrem Zirkel heraus.
Sie
interagieren überhaupt nicht mit der normalen
Bevölkerung,
sie verschliessen sich vor der tagtäglichen Realität.
Sie
leben in der Realität der “Anarchopunks”
aber in
Wirklichkeit sind sie sehr verschlossen und ohne Weitblick. Sie sehen
nicht einmal die Realität ihrer Nachbarn oder ihres Viertels.
WALO
MECHA: Oft
sehen sich diese Personen auch als Engel, oder Heilsverkünder
oder
sonst so eine Scheisse. Das wirkt so, als seien sie die
Auserwählten, die keine Fehler begehen. Dabei sind sie auch
nur
ein Teil der üblichen Scheisse.
Ich
glaube, dass
es das erste ist, was man tun muss. Sich selbst als Teil des Problems
verstehen und betrachten. Weil man ja einfach Teil des Lebens ist.
LLAMARADA
HOMERO: Ja, das kann man einfach nicht verleugnen. Wir sind Bestandteil
der ganzen Scheisse, auch wenn wir das nicht akzeptieren wollen.
WALO
MECHA: Diese Typen fühlen sich überlegen, aber sie
sind genauso ein Teil des Systems wie wir auch.
Okay,
reden wir mal wieder über die Band. Auf eurem Cover sieht man
ja
einen Berg an Cannabis Blättern. Richtet ihr den Nihilismus
auch
auf eure Körper?
Lachen
PABLO
CERILLOS: ja, uns gefällt Marihuana.
LLAMARAD
HOMERO: So kann man es sagen (lacht)
WALO
MECHA: Naja, aber trinken oder kiffen ist nicht unbedingt ein
politischer Akt.
PELOS
EN LLAMAS:
Wir werden die Welt nicht verändern, weil wir kiffen. Aber wir
machen damit trotzdem weiter. Weil es uns eben gefällt. Beim
Kiffen geht es einfach um die Lust daran, nicht um einen politischen
Standpunkt.
WALO
MECHA: Aber
ich glaube schon, dass wir unserem Körper auch den Nihilismus
entgegen bringen, von dem wir vorhin gesprochen haben.
Viele
Songs von Bands aus Latein Amerika richten sich gegen die Religion und
Gott. Ist es wirklich so, dass eure Familien euch jeden Tag mit der
Kirche, Jesus und Gott nerven?
PELOS
EN LLAMAS:
Mehr als die Familie ist es das soziale Leben Chiles, welches sehr
religiös und christlich geprägt ist. Hier wird sogar
die
Sonntagsmesse in der Glotze übertragen.
PABLO
CERILLOS: Und die Leute sagen ständig: “So Gott
will” oder “Gott sei Dank”
WALO
MECHA: In
der Dritten Welt hat die Kirche eben einen sehr starken Einfluss auf
die Politik und die Gesellschaft. Es gibt viele Verbote und Regeln, die
direkt von der Kirche ausgehen. Denn sie ist nicht vom Staat getrennt.
PELOS
EN LLAMAS:
Bei staatlichen Entscheidungen hat die Kirche noch immer grossen
Einfluss. Zum Beispiel beim Thema Abtreibung oder Verhütung.
Die
Kirche ist einfach ein grosser Teil des gesellschaftlichen Denkens.
WALO
MECHA: Es
gibt zum Beispiel auch staatliche Schulen für die
Unterschicht,
die so gut wie alle von der katholischen Kirche betrieben werden. Der
Hass auf das Christentum rührt also weniger von unseren
Familien
her, als vielmehr daher, dass die Kirche sich in alle Bereiche des
täglichen Lebens drängt.
PELOS
EN LLAMAS:
Wir lachen uns gerne über Mönche und Nonnen kaputt,
weil
ihnen ansonsten so viel Respekt entgegen gebracht wird. Wir haben da
aber keinen Bock drauf.
LLAMARADA
HOMERO: Wir weichen etwas von der vorgeschriebenen Moral ab. Wir
üben aber auch keine formale oder intellektuelle Kritik. Wir
verarschen einfach diese Idioten und lachen uns über die
Dummheit
der Menschen tot.
WALO
MECHA: Die
katholische Kirche und Opus Dei haben in Chile auch eine enorme
ökonomische Macht, welche auf die Zeit der Diktatur
zurück
geht. Das liegt daran, dass während der Diktatur alle linken
Mönche und Nonnen umgebracht wurden. Das stört mich
eigentlich nicht wirklich... Aber die Kirche behauptet, dass es
irgendwo ein übermenschliches Wesen gibt, welches uns
beherrscht.
Wir hingegen glauben daran, dass der Mensch der eigene Herr
über
sein Leben ist.
Habt
ihr mit der Band eigentlich schon ausserhalb Santiagos gespielt? Ist es
nicht stink langweilig immer mit den selben Bands in der selben Stadt
zu spielen?
PELOS
EN LLAMAS:
Oh, wir haben schon in zahlreichen anderen Städten gespielt.
Zuletzt nicht so viel... aber Valparaíso, Vina del Mar, Los
Andes, Chillan und Concepción steht immer auf unserer Liste.
Aber generell wollen wir tatsächlich so viel unterwegs sein,
wie
möglich.
LLAMARADA
HOMERO: Aber es stimmt auch, dass es ganz schön langweilig
ist,
immer mit den selben Bands zu spielen. Wenn wir Konzerte organisieren,
dann versuchen wir auch immer mit verschiedensten Bands zu spielen.
Ausser mit TAM, denn dort spielen auch zwei Jungs von PIROMANOS.
Deswegen ist es sowas wie eine Bruderband und wir treten
häufig
zusammen auf.
PELOS
EN LLAMAS:
Klar ist es langweilig immer mit den gleichen Bands zu spielen.
Deswegen ist es für uns auch das grösste irgendwohin
zu
fahren und ausserhalb Santiagos zu spielen. Dabei verlieren wir aber
immer Geld, denn die Tickets können nicht von den
Veranstaltern
bezahlt werden. Trotzdem reisen wir immer, wenn es uns möglich
ist. Einfach, weil es uns Spass macht.
WALO
MECHA: Und
da die PIROMANOS nicht Teil einer bestimmten Szene sind, ergibt es
sich, dass wir auch immer auf Konzerten verschiedener Szenen spielen.
LLAMARADA
HOMERO: Ja, wir spielen wirklich mit Bands unterschiedlichster Stile
zusammen: Gaypop, Electro, Stoner, Punk, Hardcore, Rock, HipHop,
Reggae, Alternative, Indie, Anarchopunk, Straight Edge, Machocore,
Grindcore, Crust, Metal, etc.
Wie
sehen die Pläne für die Zukunft aus?
LLAMARADA
HOMERO: Jetzt, wo wir endlich unsere CDs in Händen halten,
versuchen wir die Scheibe gut zu vertreiben.
PABLO
CERILLOS:
Ja, wir bauen stark auf unsere CD und hoffen, dass sie uns irgendwie
nach Europa bringen wird, hahaha. Wenn wir eine Tour in Europa spielen
könnten, dann lasse ich alles stehen und liegen: die Familie,
den
Job...
PELOS
EN LLAMAS: Irgendwann würden wir auch gerne Vinyl produzieren.
LLAMARADA
HOMERO: Und natürlich wollen wir noch mehr spielen. In
Santiago
und in ganz Chile! Und vielleicht schaffen wir es auch noch irgendwann
in Argentinien zu spielen.
WALO
MECHA:
Ausserdem haben wir eine Vielzahl an neuen Stücken. Die wollen
wir
möglichst bald aufnehmen und eine
Split-Veröffentlichung
machen.
DR.
BLASS: Es
wäre schön mit der Band weiter zu machen und alles
selbstbestimmt zu regeln, ohne dabei ständig Geld zu verlieren.
Kommentare?
WALO
MECHA: Wir würden gerne Europa kennen lernen, hahaha!
PELOS
EN LLAMAS: Zunächst mal... vielen Dank für dein
Vertrauen und deine Hilfe.
PABLO
CERILLOS:
Ja, das Problem mit Roberto hat dazu geführt, dass wir viel
Zuspruch gefunden haben. Viele Leute vertrauen uns und haben uns mit
der CD geholfen. Mit dem Design, unserer Myspace Seite, den
Zeichnungen, etc.
LLAMARADA
HOMERO: Das hilft uns wirklich dabei mit der Band weiter zu machen.
Ausserdem hat es uns gezeigt dass es immer noch das beste ist, die
Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
WALO
MECHA: Und
noch mal Grüsse an all die Leute, die uns mögen, weil
wir so
sind, wie wir sind. Wir sind nicht arrogant oder überheblich.
Deswegen möchte ich mich hiermit bei all den Leuten bedanken,
die
uns helfen und begleiten. Applaus!!!
KONTAKT:
www.myspace.com/piromanosdelritmo
www.fotolog.com/piromanosoy
ladifusadistri@yahoo.es